Sammeln für Steuersenkungen

Weniger Unternehmen- und Erschaftsteuern? Okay, sagen Grünen- und SPD-Politiker – wenn andere Quellen sprudeln. Eine Einigung mit der Union wird schwierig

BERLIN taz ■ Die Grünen und die SPD-Fraktion wollen ihre Zustimmung zur Unternehmen- und Erbschaftsteuerreform teurer verkaufen als bislang gedacht. So fordert etwa die grüne Finanzexpertin Christine Scheel, Stellenverlagerungen von Konzernen ins Ausland steuerlich nicht mehr zu unterstützen.

Dies lehnt Bundesfinanzminister Hans Eichel (SPD) als europarechtlich unmöglich ab. Eine Einschätzung, die die Grünen wiederum nicht teilen. So führte der Streit bisher nur dazu, dass die Einbringung der Steuerreformen in den Bundestag verschoben wurde – auf einen Termin nach der Wahl in Nordrhein-Westfalen am 22. Mai.

Am Dienstag verständigten sich SPD- und Grünen-Spitzen, die beim „Jobgipfel“ von Kanzler und Union Mitte März vereinbarte Senkung der Körperschaftsteuer von 25 auf 19 Prozent nicht morgen im Bundestag zu behandeln. Jetzt gibt es zwar auf Antrag der Union eine Steuerdebatte, aber ohne rot-grüne Gesetzentwürfe.

Strittig bleibt immer noch die Gegenfinanzierung: Woher sollen die gut fünf Milliarden Euro kommen, die der Staat zugunsten der Kapitalgesellschaften einbüßt? Mehrere grüne Abgeordnete propagieren, dass die Konzerne einen großen Teil selbst bezahlen – beispielsweise, indem sie die Kosten für Stellenverlagerungen ins Ausland nicht mehr so stark wie bisher von ihren Gewinnen abziehen können. Reinhard Loske, Vizefraktionschef der Grünen: „Man kann schlecht eine Kapitalismus-Debatte führen und gleichzeitig die Kapitalgesellschaften entlasten.“

Auch bei Teilen der SPD-Fraktion gibt es Kritik an dem Regierungskonzept zur Senkung der Unternehmensteuer. SPD-Fraktionsvize Joachim Poß hat vorgeschlagen, als Ausgleich für die gesenkte Körperschaftsteuer die Besteuerung von Dividenden zu erhöhen. Aktionäre müssten dann nicht nur die Hälfte der an sie ausgeschütteten Gewinne von Kapitalgesellschaften versteuern, sondern beispielsweise 64 Prozent. Dann wäre die Reform annähernd „aufkommensneutral“. Allerdings ist eine Zustimmung der Union im Bundesrat eher unwahrscheinlich.

Grundsätzlich zweifelt niemand daran, dass die Senkung der Körperschaftsteuer von 25 auf 19 Prozent die Zustimmung der rot-grünen Fraktionen erhält. Aber durch die Verschiebung haben die Kritiker zwei Wochen Zeit gewonnen. Zudem wird das heikle Thema aus dem NRW-Wahlkampf geschoben.

Hans Eichels Sprecher Andreas Giffeler behauptete gestern, entscheidend sei, dass das Datum „vor der Sommerpause“ eingehalten werde. „Unterm Strich“ habe die Verschiebung hinter die NRW-Wahl „vielleicht etwas Gutes“: Die Union „hat jetzt etwas länger Zeit, sich zu sammeln“.

Etwas ungesammelt ist allerdings auch noch die SPD in Fragen der Erbschaftsteuer. Grundsätzlich findet kaum jemand im rot-grünen Lager, dass eine Steuererleichterung bei Betriebsübergaben sinnvoll ist. Die Finanzministerien der Länder haben auch wenig Erkenntnisse darüber, ob oder wie die Erbschaftsteuer bislang eine Betriebsvererbung behindert habe.

Doch da sich der Kanzler – und durch ihn Hans Eichel – nun die bayerische Forderung einer Steuerbegünstigung zu Eigen gemacht hat, hoffen die SPD-Linken, dass zur Gegenfinanzierung wenigstens eine Steuererhöhung für Vermögende durchzusetzen sei.

„Auch die unionsregierten Länder dürften nicht glücklich sein, mit dem bayerischen Vorschlag auf rund 15 Prozent ihrer Erbschaftsteuereinnahmen zu verzichten“, sagt der SPD-Steuerexperte Florian Pronold. Für die SPD müsse maßgeblich sein, dass ein Gesetzentwurf „erstens Betriebsübergaben nicht behindert und zweitens der Forderung des Bochumer SPD-Parteitags entspricht, dass große Vermögen höher besteuert werden“. Eine Gefahr, die auch Pronold sieht: Bei niedrigeren Steuern für Betriebsübergaben und höheren Steuern für Privatvermögen könnte die Versuchung steigen, Privatbesitz in GmbH oder andere Unternehmen umzuwandeln.

Grundsätzlich aber hat sich auch zur SPD herumgesprochen, dass eine Steuererhöhung für Vermögende mit der Union schwer zu machen ist – ob vor oder nach der Wahl in NRW.

HANNES KOCH

ULRIKE WINKELMANN

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