Otto packt sein drittes Paket

Die Auswertung der Anti-Terror-Gesetze sollte die Bürger vor dem Überwachungsstaat schützen. Nun nutzt Schily sie für ein weiteres Sicherheitspaket

AUS BERLIN ASTRID GEISLER

Das Papier galt einst als wichtiges Zugeständnis an die Gegner der „Otto-Kataloge“. Es wurde gar im Koalitionsvertrag verankert – bis zur Mitte der Legislaturperiode sollte das Bundesinnenministerium Rechenschaft ablegen: Was bringen sie wirklich, die nach dem 11. September 2001 hastig durchgepeitschten Anti-Terror-Gesetze? Und wie schwer greifen sie ein in die Rechte der Bürger? Gut acht Monate verspätet präsentierte Otto Schily gestern dem Kabinett seinen brisanten Prüfbericht. So zufrieden hatte man den SPD-Politiker lange nicht gesehen: „Das befürchtete Szenario eines Überwachungsstaates hat sich nicht bewahrheitet“, versicherte er anschließend der Presse. „Gleichermaßen erfolgreich wie zurückhaltend und verantwortungsvoll“ hätten die Sicherheitsbehörden ihre neuen Befugnisse genutzt.

Zufrieden reagierten auch die Grünen. „Die Befugnisse sind nicht massenhaft angewendet worden“, versicherte die innenpolitische Sprecherin der Fraktion, Silke Stokar, der taz. Die Grundrechtseingriffe hätten sich allesamt als „verhältnismäßig“ erwiesen.

Alles also nur Hysterie? Als Beleg präsentierte Schily gestern u. a. eine Statistik über die neuen Auskunftsrechte von Verfassungsschutz und Geheimdiensten: Nur 99-mal machten demnach die Behörden seit 2002 Gebrauch von ihren neuen Kompetenzen – darunter waren 64 Anfragen bei Telefonunternehmen, 32 bei Kreditinstituten und gerade mal 3 bei Fluggesellschaften. Ob ein mutmaßlicher Terrorist ein Postfach hat, interessierte die Fahnder gar nicht.

Die zusätzlichen Bankauskünfte hätten zum Beispiel geholfen, das Finanzierungsnetzwerk der Hamas in Europa zu erhellen, versicherte Schily. Aber wie? Und die drei Anfragen bei Luftfahrtunternehmen – was haben sie den Sicherheitsbehörden wirklich gebracht? Da blieb Schilys Präsentation nebulös.

Die Grünen wollten sich darüber nicht aufregen. Innenexpertin Stokar kritisierte nur, dass die Information der Betroffenen bisher zu wünschen übrig lasse. Offenbar erfuhren sie bislang nur im Ausnahmefall von ihrer Durchleuchtung. Darüber seien noch „Gespräche“ nötig, sagte Stokar.

Deutliche Worte kamen nur von den Liberalen. Schily habe eine „Schmalspur-Evaluierung“ präsentiert, sagte FDP-Innenexperte Max Stadler der taz. Das Ministerium habe bisher lediglich quantitative, aber keine qualitativen Belege auf den Tisch gelegt. Vor allem die Frage nach der Verhältnismäßigkeit und damit der Zulässigkeit der Grundrechtseingriffe bleibe völlig offen.

Der Protest der FDP dürfte Schily indes wenig rühren. Nach der koalitionsintern so glimpflich verlaufenen Auswertung der Sicherheitspakete I und II präsentierte er lieber gleich sein Wunschsortiment für den Otto-Katalog III: Es umfasst nicht nur Ergänzungen der Auskunftsrechte – so sollen die Sicherheitsbehörden künftig nicht nur bei Banken Daten abfragen, sondern auch erfahren dürfen, wo ein Verdächtiger überhaupt Konten hat. Außerdem sollen die bürokratischen Genehmigungsverfahren für bestimmte Auskünfte verkürzt werden. Auf Schilys Wunschliste steht aber nach wie vor auch das Prestigeprojekt, dem Bundeskriminalamt zusätzliche präventive Ermittlungsrechte zu verschaffen – was bisher am Veto der Länder scheiterte.

Bei so vielen neuen Ideen wollte sich Schily mit den Sicherheitspaketen I und II am liebsten gar nicht mehr lange aufhalten. Wenn das Parlament meine, die in fünf Jahren noch mal evaluieren zu müssen: „Bitte schön!“