ABENDESSEN
: Ohne Pferd

Sie wird sich freuen über die Armen Ritter

Es ist still in der Wohnung. Die Kinder liegen im Bett und werden morgen früh noch den heutigen Abend in den Haaren haben. Wir haben stapelweise Arme Ritter gebacken, und jetzt liegen die zwei in ihren Betten und duften wie Ein-Sterne-Köche. Meiner Frau haben wir einen kleinen Stapel zur Seite gelegt. In Alufolie umwickelte Idylle, bis sie nach Hause kommt und sich neben mich aufs Sofa setzt, wo dann wieder erst mal der halbe Arbeitstag aus ihr heraussprudelt. Sie wird sich freuen über die Armen Ritter. Und erst recht, wenn ich ihr von dem Riesenspaß berichte, den die Kinder hatten, und dass die beiden gar nicht mehr aufhören wollten mit Brutzeln und wir nun die halbe Gefriertruhe damit voll haben.

„Hmh, lecker“, ruft sie, als sie später in der Küche steht und die Alufolie öffnet, ehe sie sich fragt, ob wir den Geruch jemals wieder aus der Wohnung kriegen. Dann setzt sie sich zu mir aufs Sofa und der halbe Arbeitstag sprudelt aus ihr heraus.

Später zum Abschluss zehn Minuten Schocklüften, während denen ich in der Küche stehe und den Abend noch mal vor meinem inneren Auge vorbeireiten sehe. „Warum sind die denn eigentlich arm, Papa?“, wollten die beiden wissen. Nach kurzem Zögern habe ich schließlich gesagt: „Na, weil die ja kein Pferd haben. Und die ganze Zeit laufen müssen.“ Die zwei nickten. „Oder habt ihr schon mal ein Toastbrot auf einem Pferd gesehen?“, sage ich, woraufhin sie sich beinahe fortgeschmissen haben vor Lachen. Und sämtliche Arme Ritter über den Tisch spazieren ließen mit den Worten „Oh je, oh je, wir haben kein Pferd.“

Wirklich ein schöner Abend, denke ich und schließe das Küchenfenster. „Das Beste wird sein“, flüstert meine Frau, als wir am Ende noch kurz ins Kinderzimmer schauen, „wir stellen die zwei morgen früh schnell unter die Dusche, sonst will im Kindergarten bestimmt keiner mit ihnen spielen.“ JOCHEN WEEBER