schurians runde welten
: Fußball ohne Schamhaare

„Er lag da wie im Freibad. Bis er auf Betriebstemperatur gekommen wäre, hätte der Schiri abgepfiffen.“ (Ralf Rangnick über Ailton)

Heute mal etwas wirklich Scharfes aus den Duschräumen des Fußballs. Milchige Nacktbilder aus den Entspannungsbecken nach Meisterfeier oder Aufstiegstrubel sind ja von der Bildzensur leider rasiert worden. Deshalb hier die nackten Wahrheiten der Saison 2004/2005.

Erstens, Kicker sind Kosmetikprofis. Wie sonst nur Fahrkartenkontrolleure klemmen sie sich ihre Herrenhandtaschen unter den Arm, gefüllt mit Shampoos, Cremes und Deodorant-Sprays. Zweimal Training am Tag heißt auch zweimal Duschen, mindestens. Ballkünstler mit Problemhäuten verzichten deshalb auf die übliche Morgenbrause. Zweitens: Fußballer mögen tätowierte schwarze Dreiecke auf den Schultern. Drittens: Fußballer rasieren sich zunehmend auch unten herum.

Für die klassische Sportrasur waren zunächst die Schwimmer berühmt, die gegen den Wasserwiderstand ein paar Zehntel heraus holen wollen. Auch Radrennfahrer setzen seit jeher auf glatte Gliedmaßen, Wunden würden so besser verheilen. Und keiner spricht so zärtlich von den „gepflegten“ Männerbeinen wie Radsprint- und Fernsehlegende Rudi Altig (ohne Sender): Glatthaut schätzt er wie er den „lutschenden“ Konkurrenten im Windschatten verabscheut. Gepflegt sind laut Altig nicht nur Radlerbeine, der Rennfahrer hat auch auf seinen „Popo gut aufzupassen“: Auf einem Abszess ließe es sich schließlich schlecht rollen. Was unter der Unterhose passiert, spart sich Altig. Auch die Schwimmer nehmen die Badehosenzone von der Nassrasur aus. Fußballer nicht mehr.

Der Trend zur intimen Haarlosigkeit ist unaufhaltbar. Neulich sah ich in der Dusche einer Bezirkssportanlage den ersten Unparteiischen ohne Schamhaare inmitten einiger polierter Mannschaftskameraden.

Aber warum bekämpfen die Kicker eigentlich ihren klandestinen Bewuchs?

Kulturgeschichtlich ging es bei der Rasur um die Zügelung des Wildwuchses im Gesicht, ein Antlitz, das die antiken Römer oder Griechen von den Barbaren trennte. Aber, Vorsicht: Barbar verweist hier nicht etwa auf den Bart des Unkultivierten, sondern auf seine unverständliche Sprache: Auf Deutsch müssten sie Blablaren heißen. Umgekehrt heißen wir Deutschen bei den Slawen genau deshalb „die Stummen“. Vom Kopf zurück zum Sack:

Das schlimme am Rasiertrend ist natürlich seine Unaufhaltsamkeit, ähnlich unaufhaltsam wie das römische Reich, die Zivilisierung, Globalisierung. Bislang machte die rasierte Vorzeigehaut besonders Frauen zu schaffen, irgendwann begannen sie sich für ihre Behaarung zu schämen, sie zu verstecken. Fußballer gehen jetzt noch steiler – ein Kahlschlag in den letzten Verstecken. CHRISTOPH SCHURIAN