UNTERM STRICH

1994 hat Angela Merkel den renommierten „Gabriele-Münter-Preis“ erstmals im Bonner Frauenmuseum verliehen. Die heutige Frauenministerin Kristina Schröder legt die Förderung des Preises nun kurzerhand auf Eis. Das jedenfalls befürchtet das Bonner Frauenmuseum. Geld für den Kunstpreis, dessen Preisträgerinnen bekannte Künstlerinnen wie Leni Hoffmann (2007), die Performancekünstlerin Ulrike Rosenbach (2004) oder Christiane Möbius (2010) sind, sollen nach Ansicht der Frauenministerin Sponsoren beibringen. Die Initiatoren des Münter-Preises könnten ja über ein Vereins- und Stiftungskonzept nachdenken, um diese Sponsoren selbst zu akquirieren. Das Ministerium übernehme aber gern die Schirmherrschaft mit einer Fördermitgliedschaft. Marianne Pitzen, Direktorin des Bonner Frauenmuseums und Mitinitiatorin des Gabriele-Münter-Preises: „Die Einstellung der Ministerin ist frauen- und kunstfeindlich. Ihrem Ministerium liegen diverse Konzepte der Initiatoren zum Erhalt des Preises mit deutlichen Einsparvorschlägen vor – doch das Ministerium spielt auf Zeit. Die publikumswirksame Rettung des Kölner Archivs von Alice Schwarzer war offenbar nur eine Publicity-Aktion. Sie beweist aber auch, dass die Weiterführung des Münter-Preises nicht am Geld scheitert, sondern offenbar politischer Wille der Ministerin ist.“ Einen Verein haben die Frauen, die den Preis 1994 ins Leben riefen, mittlerweile gegründet. Mitglieder sind das Frauenmuseum in Bonn, die Gedok (Gemeinschaft der Künstlerinnen und Kunstförderer), Ver.di sowie Urheberinnen des Preises. Bereits seit Sommer 2011, so das Frauenmuseum, liege beim Ministerium ein neues Konzept des Gabriele Münter Preis e. V. vor. Briefe und Gesprächsangebote seien jedoch unbeantwortet geblieben. Nicht ganz unschuldig dürfte an dieser Situation der Bund Bildender Künstler (BBK) in Berlin, sein. Der BBK will den Preis selbst ausrichten und weigert sich, dem Verein beizutreten. Die Münter-Preis-Frauen wollen den Preis auf jeden Fall retten. Marianne Pitzen: „Es ist ein kultur- und frauenpolitischer Offenbarungseid, den renommiertesten deutschen Kunstpreis für Frauen über 40 auf dem Altar kleinmütiger Etatdebatten zu opfern.“

Attac-Aktivisten konnten den kleinen, zierlichen Mann aus Uruguay auf den Sommerakademien der letzten Jahre erleben, wo er mit fester Stimme vom erfolgreichen Kampf gegen die Wasserprivatisierung oder den Auseinandersetzungen unter der neuen Linksregierung in seiner zweiten Heimat berichtete. Die vergangenen sieben Monate verbrachte Ernesto Kroch größtenteils in einem Frankfurter Krankenhaus. Sein letzter öffentlicher Auftritt war am 1. Dezember 2011. Zur Eröffnung einer neu gestalteten Ausstellung in der KZ-Gedenkstätte Lichtenburg (Sachsen-Anhalt) schickte er eine Videobotschaft, die er in einer Reha-Klinik aufnehmen ließ. In dem wilhelminischen Gefängnisbau war der jüdische Kommunist 1936/37 inhaftiert. Danach floh er nach Ungarn und Jugoslawien, schließlich ging der damals 21-Jährige in Marseille an Bord des Flüchtlingsschiffs „Alsina“ und kam Weihnachten 1938 in Montevideo an. „Ich hatte das Glück, politischer Häftling zu sein“, berichtete er später, „sonst wäre ich Rauch und Asche wie meine Mutter, die in Auschwitz ermordet wurde.“ Aus Ernst wurde Ernesto, er gründete eine Familie, war als Metallarbeiter Jahrzehntelang im selben Betrieb tätig. Politisch aktiv wurde „El Alemán“ in der Gewerkschaft und in der K, die 1971 im Linksbündnis „Frente Amplio“ aufging. Zwei Jahre später kamen die Militärs an die Macht, Tausende wurde inhaftiert und gefoltert. Auch für Kroch wurde es immer gefährlicher, 1982 ging er nach Brasilien und dann für drei Jahre ins „Exil in der Heimat“ nach Frankfurt am Main. Nach dem Ende der Diktatur kehrte Kroch mit seiner Lebensgefährtin Eva, eine Tochter deutschjüdischer Emigranten, an den Río de la Plata zurück. Dort arbeitete er wieder in seinem alten Betrieb, engagierte sich in der Lokalpolitik – und vor allem in der Casa Bertolt Brecht, die er 1964 als Kulturinstitut der „Freundschaftsgesellschaft Uruguay-DDR“ mitbegründet hatte. Dass das Brecht-Haus auch den Mauerfall gut überstand, ist vor allem dem Einsatz Krochs zu verdanken, der sich in den letzten Jahrzehnten zum unermüdlichen Brückenbauer zwischen der Linken in Uruguay und der im vereinigten Deutschland entwickelte. Für die Lateinamerika-Zeitschrift ila schickte der undogmatische Kommunist lange analytische Berichte aus Uruguay. Heute ist die Casa Brecht ein linkes Kulturzentrum mit Deutschkursen und Theaterworkshops, dessen Projekte von der Heinrich-Böll- und der Rosa-Luxemburg-Stiftung unterstützt wurden. Die Gewerkschaft Ver.di finanzierte Kurse für Radiomacher, Globalisierungskritiker organisierten dort ihre Seminare. Noch im vergangenen Jahr sorgte Kroch hinter den Kulissen dafür, dass die Finanzierung aus Deutschland weiterging. Am Sonntag ist Ernesto Kroch mit 95 Jahren in Frankfurt gestorben.