Klagekrieg entzweit Zyprioten

Weil eine politische Lösung fehlt, soll die Justiz griechischen Flüchtlingen die Rückgabe ihres Besitzes auf Zypern ermöglichen. Doch türkische Zyprioten klagen zurück

BERLIN taz ■ Eine Klagewelle bringt das angespannte Verhältnis zwischen griechischen und türkischen Zyprioten auf neue Tiefststände. Es geht um den Kern des Konflikts: Eigentum. 1974, bei der Invasion türkischer Truppen, flüchteten rund 160.000 Inselgriechen aus dem Norden. Mehr als 40.000 Zyperntürken mussten in den Norden umziehen. Jetzt haben die Vertriebenen die Justiz entdeckt, um ihren Anspruch auf Häuser und Olivenhaine durchzusetzen.

Am vergangenen Dienstag begann im griechischen Larnaka der erste Prozess gegen einen Zyperntürken. Kläger Panos Ioannides verlangt bis zu umgerechnet 43.000 Euro Schadenersatz für die widerrechtliche Nutzung seines Hauses im nördlichen Famagusta durch den Zyperntürken Huseyin Caginer. Inzwischen haben die griechischen Behörden aus dem gleichen Grund vier Haftbefehle gegen drei Zyperntürken und einen britischen Immobilienmakler ausgestellt. Auf griechischem Land würden illegal Ferienhäuser errichtet, lautet der Vorwurf. Zyperns griechischer Präsident Tassos Papadopoulos warnte Ausländer, ein Ferienhaus auf griechischem Boden zu kaufen. „Dies ist eine widerrechtliche Zueignung fremden Besitzes und ein Versuch, vollendete Tatsachen zu schaffen“, sagte er.

Doch Zyperntürken zu belangen sei etwas anderes als ausländische Immobilienhändler zu verklagen, erklärte Innenminister Andreas Christou. Er fürchtet, dass das Klima zwischen den Volksgruppen vergiftet wird. Der Menschenrechtsanwalt Achilleos Demetriades warnte in der Cyprus Mail: „Wohin soll das führen? Wir werden alle Zyperntürken verhaften, sie werden uns inhaftieren. Das soll zu Verständigung und Toleranz führen?“

Im türkischen Norden werden scharfe Töne gegen griechische Ansprüche laut. Weil sie Rosen im Garten ihres alten Häuschen gepflückt hatten, geriet unlängst ein griechische Familie für eine Nacht in türkische Haft. Die türkischen Behörden drohen allen Klägern, die den Norden bereisen, mit Festnahme.

Der Krieg der Klagen bringt die blutige Geschichte Zypern zurück auf die Tagesordnung. Nordzyperns Premier Feri Soyer brachte in dieser Woche mit eine Klage gegen den Präsidenten des Südens, Papadopoulos, ins Spiel. Man könne Papadopoulos „wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen gegen Zyperntürken“ vor ein internationales Gericht bringen, behauptete Soyer. Der Präsident der Republik Zypern war zu Beginn der 60er-Jahre an einer Verschwörung namens „Akritas“ gegen die zyperntürkische Minderheit beteiligt.

Mehr Sorgen macht man sich im Süden darum, dass etliche Zyperntürken zurück klagen könnten. Ferienhäuser und Hotels stehen auf zyperntürkischem Grund. Tausende Flüchtlinge wurden in zyperntürkischen Gebäuden angesiedelt. Etliche Ansprüche konnte das Innenministerium durch das Angebot von Ersatzgrundstücken befrieden. Nicht jeder geht auf eine Kompensation ein: Ende 2004 gewann der Zyperntürke Arif Mustafa einen Prozess auf Rückgabe seines Hauses im griechischen Akrotiri. Siegt er in letzter Instanz, muss die dort lebende Großmutter ausziehen. Der Klagekrieg schafft schlechte Voraussetzungen für eine Wiederaufnahme der Verhandlungen. Am Rande der Moskauer Feierlichkeiten zum Kriegsende verständigten sich Papadopoulos, der türkische Premier Tayyip Erdogan und UN-Generalsekretär Kofi Annan prinzipiell auf einen neuen Versuch zur Konfliktlösung. Einzelheiten sind noch unklar. KLAUS HILLENBRAND