Goethe lustlos

„Ach“, so stöhnte Goethe einesAbends, als ein Gläschen Weines

Er mit Eckermann zu leeren Im Begriffe stand, „entbehren

Sollst du... sollst... beziehungsweise ...“Goethe schwieg und malte Kreise

Auf den Tisch und akkurate Ziemlich winzige Quadrate,

Denn ihm fiel partout nichts ein. Erst beim übernächsten Wein

Ward er wieder kecker dann, Und er sprach zu Eckermann:

„Junger Freund, ich frage mich, Hab ich Ihnen eigentlich

Schon mal was von Rom erzählt?“ Jener nickte leicht gequält.

„Nun“, so legte Goethe los, „Rom ist einfach grandios!

Oh, ich trieb es bunt am Tiber, Denn da ging es rund, mein Lieber;

Ach, in Rom, da tanzt der Bär. Wenn man nochmal vierzig wär!

Ja, mein Sohn, ich säße gerne Frisch wie einst in der Taverne,

Dort, wo in verweg’nem Kreise Man ganz ungewohnterweise,

Mit Prosecco angefüllt, Liederliche Lieder brüllt,

Wo mit Laura oder Clara Man Spaghetti carbonara,

Käse und Oliven isst, Kürbisrunde Brüste küsst.

Nun, mein guter Eckermann, Hört sich das nicht lecker an?

Später dann, im Lotterbett, Liebt man sich von A bis Z,

Nicht symbolisch, nicht abstrakt, Nein, ganz splitterfasernackt!

Holdes, atemloses Toben! Laura unten, Clara oben,

Goethen immer mittendrin. Menschenskind, dahin, dahin

Möcht ich gern mal wieder ziehn! Weimar wird noch mein Ruin,

Dies verschnarchte Nest – es nervtKolossal, und zwar verschärft!

Eckermännchen, sag doch bloß: Wo ist hier nach zehn was los?

Nightlife? Atmo? Pustekuchen! So was kannst du lange suchen,

Und das Weib in unser’n Breiten Lässt sich schwer zur Lust verleiten;

Ach, mich ödet, Eckermann, Frau von Steins Gemecker an.

Glaube mir, ich hab sie satt,Unsre hehre Musenstadt;

Sieh dir nur mal, Eckermann, Diese Speichellecker an,

All die Fürsten, Fans und Schranzen, Die mich täglich hier umtanzen;

Und auch du, oh Eckermann,Gehst mir auf den Wecker, Mann.“

Christian Maintz