Häuser wiederverwerten wie Autos

Die Hochstraße soll abgerissen werden, fordert Stadtplaner Sunke Herlyn beim Streifzug durch 30 Jahre Städtebaugeschichte und auch über das Gewerbegebiet in der Hemelinger Marsch müsse „nachgedacht“ werden. Der Space Park kann bleiben

Bremen taz ■ Vorhang auf, Film ab: Bühne frei für 30 Jahre Bremer Stadtbaugeschichte. Über die Leinwand flimmert die Hochstraße am Bahnhof, ein kommentarloser Bericht von Radio Bremen aus den 70ern, nur mit einem Schlager unterlegt.

„Diese kahle Betonwurst kann man abreißen“, da sind sich Sunke Herlyn, Vorsitzender des Bremer Zentrums für Baukultur, und Thomas Frey, Referent für Stadtentwicklung bei der Arbeitnehmerkammer einig. Das Publikum im Kino 46 will sich dem keineswegs bedingungslos anschließen: Man solle nicht gleich alles abreißen, was nicht mehr dem Zeitgeist entspreche, wirft eine Zuschauerin ein.

Frey durfte im Fernseharchiv von Radio Bremen wühlen und im Rahmen der Reihe „FernSehHeimat“ des Kino 46 15 Sendungen über umstrittene städtebauliche Großprojekte präsentieren. Mit dabei: zehntausende Wohnungen in der Vahr und Tenever – einst Inbegriff modernen Städtebaus –, der Weserpark, das Gewerbegebiet Airport-City und natürlich der Space Park. Allen ist eines gemein: An ihnen scheiden sich die Geister, damals wie heute. Soll Bremen in der ersten Liga der Großstädte mitspielen – also Hochhäuser bauen – oder sich als beschauliche Weserstadt profilieren?

„Wir können uns keine betuliche, gemütliche Innenstadt mehr erlauben“, da ist sich Herlyn sicher. Vielmehr müsse man darauf achten, dass die Einkaufsmeilen auf der grünen Wiese den Stadtzentren „nicht den Rang ablaufen“. Eine Frau hält dagegen. Man solle lieber gegen die „wachsenden Uniformität“ der Innenstädte kämpfen. Der Stadtplaner macht ihr wenig Hoffnung. Er plädiert nur gegen neue Großbauten und für kleinformatiges, „maßstabsgerechtes Bauen“.

Dieses Ziel durchzusetzen sei „nicht einfach“, gibt Herlyn zu. Private Investoren seien „sehr anfällig“ für Großprojekte, „da gerät die Sache schnell aus den Fugen“. Mehr Kontrolle sei nötig – und die wollen Herlyn und Frey durch mehr Bürgerbeteiligung erreichen, „auch wenn dies Zeit kostet“. Als Vorbild nennen sie das kürzlich abgeschlossene Moderationsverfahren zur Zukunft der Pauliner Marsch. „Wir müssen die Stadtplanung demokratisch absichern“, so Herlyn, „weil das zu besseren Ergebnissen führt“. Frey fordert, auch Großprojekte zukünftig „nur noch in kleinen Schritten zu planen“.

Ein für allemal verabschieden, betont Herlyn, müsse man sich von der Idee, für die Ewigkeit zu bauen. Mit Häusern sei es wie mit Autos: Man müsse schon beim Bau ans Recycling denken. Und was keine Funktion mehr habe, könne durchaus „abgerissen“ werden. Bestes Beispiel: die Hochstraße vor dem Bahnhof, an deren Sinn sogar ihr Erbauer bereits am Tag der Eröffnung zweifelte. Voraussetzung für einen Abriss ist laut Herlyn ein geschlossener Autobahnring um Bremen. 2012 soll es soweit sein.

Auch über die „grausige Wüste“ in der Hemelinger Marsch, bisweilen das Vorzeigegewerbegebiet des Bremer Senats, müsse „neu nachgedacht“ werden, fordert Herlyn – und erntet dafür die Zustimmung des Publikums. Für einen Abriss des Space Parks mochte sich indessen weder er noch Frey stark machen. Begründung: Der Space Park könne der Stadt vielleicht doch noch von Nutzen sein. Jonas Zahl