Elternfreie Inseln

Kinder, die allein aufwachsen, profitieren besonders von Ferienfreizeiten. Reif für Urlaub ohne Eltern sind die meisten Kinder nach der Einschulung

Jugendleiter sollten gut ausgebildet sein und Zeit für die Kinder haben

VON PIA M. SOMMER

Das erste Ferienlager ist für jedes Kind ein Abenteuer. Aber auch für die Eltern. Was erwartet mein Kind, wird es sich wohlfühlen, ist es nicht noch zu klein? „Wir nehmen normalerweise nur Kinder, die schon in die Schule gehen“, erklärt Anja Mütschele vom Jugendwerk Württemberg, das jeden Sommer rund 30 Kinder- und Jugendfreizeiten organisiert. Nach der Einschulung würden Kinder selbstständiger und könnten es in der Regel gut aushalten, ohne Eltern zu sein.

Natürlich gäbe es bei den Sechs- bis Zehnjährigen immer welche, die Heimweh entwickeln, sagt die Bildungsreferentin. Wichtig sei, dass die Betreuer geschult seien, verständnisvoll und individuell auf den Schmerz einzugehen. Oft helfe schon eine Ablenkung durch eine Aktion, die Spaß macht. Manchmal sei auch ein Telefonat mit den Eltern sinnvoll, damit das Kind ein wenig erzählen und sich vergewissern könne, „dass es zu Papa und Mama zurückkommt“. In den vier Jahren ihrer Arbeit beim Jugendwerk habe sie keinen Fall erlebt, bei dem ein Kind wegen unerträglichen Heimwehs nach Hause geschickt werden musste. „Manche Kinder brauchen allerdings eine lange Gewöhnungszeit“, weiß Mütschele. „Es können schon ein paar Tage vergehen, bis sie eine neue Umgebung, ungewohntes Essen und einen anderen Rhythmus akzeptiert haben.“ Ein guter Einstieg in Ferien ohne Eltern sind Angebote zur Stadtranderholung. Tagsüber machen die Kinder Programm, abends jedoch fahren sie nach Hause. Oft wird einzelne Nächte gezeltet. So können die Kinder behutsam ausprobieren, wie es ist, nicht im eigenen Bett zu schlafen. Viele haben danach Lust auf mehr.

„Gerade für Kinder, die alleine aufwachsen, sind Ferienfreizeiten eine gute Möglichkeit, soziale Kontakte zu knüpfen“, sagt Mütschele. Sie lernen Gleichaltrige kennen, können sich von Älteren etwas abschauen. Außerdem erleben sie andere Bezugspersonen. „Wir legen Wert darauf, dass unsere Betreuer jünger sind als die Eltern“, berichtet die Jugendwerklerin. „So erleben die Kinder auch mal andere Vorbilder.“

Angebote für Kinderfreizeiten gibt es viele. Doch woran erkennen Eltern seriöse Veranstalter? Sie sollten herausfinden, wie lange es den Anbieter schon gibt und wie das Feedback von ehemaligen Teilnehmern ausfällt, rät Jens Schüren von ferienlager-online.de, einer Internet-Infoseite für Eltern und Betreuer. Besonders genau gelte es zu prüfen, wie die Kinder betreut werden. „Es gibt Veranstalter, die machen wenig Programm. Andere bieten von morgens bis abends etwas an. Damit werden Kinder und Eltern meist glücklicher.“ Ferienlager-online.de rät, bei Kindern unter 15 Jahren auf Vollbeschäftigung rund um die Uhr zu ach:ten.

Eltern sollten auch schauen, was ein Anbieter für Ziele hat und ob sie zu dem Kind passen, meint Mütschele. Bei den Ferienlagern des Jugendwerks werde zum Beispiel „Partizipation“ groß geschrieben. Der Grundsatz der zur Arbeiterwohlfahrt (AWO) gehörenden Organisation: Die Kinder sollen ernst genommen und im Rahmen ihrer Möglichkeit selbst aktiv werden. Auf einer allabendlichen Konferenz beratschlagen die kleinen Urlauber, was sie machten möchten und ob die Wünsche umsetzbar sind. Sie überlegen, wer wo mithelfen kann und legen fest, wer für was zuständig ist. Regeln stellen sie gemeinsam mit den Jugendleitern auf.

Eine entscheidende Frage: Welche Ausbildung haben die Betreuer? Freizeitleiter darf sich nämlich jeder nennen, der Begriff ist nicht geschützt. Um Qualität zu gewährleisten, lassen viele seriöse Veranstalter vor allem ehrenamtlichen Gruppenleiter nach den Standards der Jugendleitercard ausbilden. Hier lernen die zukünftigen Betreuer pädagogisches Know-how, was ihre Aufsichtspflicht beinhaltet, aber auch erste Hilfe. Eine gute Ausbildung nutzt jedoch wenig, wenn sich das Personal nicht ausreichend kümmern kann. Als Richtwert empfiehlt ferienlager-online.de einen Betreuer für sieben bis zehn Kinder.

In jedem Fall lohnt sich ein genauer Blick auf den Reisepreis. Beinhaltet er alle Kosten oder sind Ausflüge und Eintritte extra zu bezahlen? Ist die Anreise inklusive oder müssen die Eltern dafür sorgen? Wie ist ein Reiserücktritt geregelt? Werden Versicherungen angeboten? Wichtig auch: Wie werden die Kinder verpflegt? Ein umsichtiger Veranstalter kommt frühzeitig von sich aus auf spezielle Ernährungsgebote, Allergien, andere Krankheiten und die Einnahme von Medikamenten zu sprechen. Im Übrigen gilt: Bei allen auftauchenden Fragen müssen Eltern sich nicht scheuen, die Reiseorganisatoren zu löchern. Schließlich soll eine Ferienfreizeit nur für die Kinder zum Abenteuer werden. Und zwar zu einem gelungenen.

Ferienfreizeiten und Tipps für Eltern: www.ferienlager-online.de; Kinder- und Jugendfreizeiten des Jugendwerks: www.jugendwerkreisen.de