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100 Ponys und 1 Schloss

Rund 100 Kilometer nordöstlich von Berlin liegt ein Ferienparadies für Kinder: Schloss Boitzenburg. In einem märchenhaften Ambiente ist von Bogenschießen über Paddeln bis Reiten alles möglich

VON CHRISTINE BERGER

Auf den ersten Blick denkt der Reisende an eine Fata Morgana im märkischen Sand. Wie aus dem Nichts erhebt sich am Rande Boitzenburgs ein prächtiges Schloss. Feine Türmchen und Zinnen, an den Ecken feuerspeiende Drachen aus Kupfer, eine sanft abfallende Terrasse zum See. Das mehr als 500 Jahre alte Schloss, der ehemalige Familiensitz der von Arnims, ist so groß, dass Kinder ungefähr zehn Minuten brauchen, um einmal rundherum zu laufen. Nicht zuletzt, weil es unterwegs jede Menge Tiere zu streicheln gibt: Hängebauchschweine etwa oder Ziegen im Gehege. Boitzenburg ist das größte Schloss Brandenburgs, abgesehen von den Königsschlössern in Potsdam. Fast ehrfürchtig stehen Erstbesucher vor dem prächtigen Bau – und werden alsbald überrannt von einer Horde ausgelassener Kinder. Das sind die Hausgäste.

Schulklassen, Familien, aber auch Kinder ohne Eltern können hier Ferien machen. Montags ist Anreisetag, freitags ziehen die Gruppen wieder heimwärts. In fünf Tagen gibt es einiges zu erleben auf dem Schloss. Zum Beispiel Paddeln, Bogenschießen und Reitenlernen. 100 Ponys stehen auf dem schlosseigenen Reiterhof für die kleinen Gäste zur Verfügung. Jeden Tag bekommen die Kinder zwei Stunden Unterricht, helfen beim Füttern, Striegeln und Ausmisten. „Das sind meistens nur die Mädchen“, schmunzelt Oliver Erbacher, der Vater der Ponyschloss-Idee. Er hat das Schlosshotel für Kinder und Eltern 2003 nach langer Umbau- und Restaurierungsphase eröffnet. „Jungen gehen lieber Kanu fahren oder lernen Zaubern.“ Marco Leischner, der Animateur, bringt den Kids im Laufe der Ferientage Tricks bei, und am Abschiedsabend gibt es eine Zaubershow. Dann drängeln sich über 300 Kinder in dem zum Veranstaltungssaal umgebauten Stallgebäude und schauen zu, was ihre Schulkameraden so alles draufhaben.

Zehn bis zwölf Schulklassen machen während der Sommersaison gleichzeitig Ferien auf dem Schloss. Dann hat Geschäftsführer Ulf Scherpelz jede Menge zu tun. Er muss die Lehrer einweisen in die Regeln des Hauses, führt die Gruppen durchs Schloss und sorgt für Nachschub in der Küche. Die ist für die Gruppen unter dem Dach. Dort befindet sich auch der riesige Speisesaal, in dem sich die Schüler lautstark in Szene setzen und sich, wie es sich offensichtlich auf Klassenfahrten gehört, gegenseitig den Käse vom Brot klauen oder um die Bockwürste buhlen.

Wer Lust hat, darf abends auch selber Pizza backen. Dann stehen die Kids in der Küche, klopfen Teig und bescheren ihren Mitschülern ein bisschen Abwechslung jenseits von Stulle mit Belag. Danach ist wie üblich Disko, allerdings ganz schlossgemäß in einem ehemaligen Verlies. Die dicken unverputzten Steinwände sorgen für coole Atmosphäre, wenn die Hobby-DJs die Bässe wummern lassen. In den solide eingerichteten Schlafzimmern, alle mit eigenem Bad und WC, ist davon nichts zu hören.

Damit das Schloss nicht zu einem Ghetto für Heranwachsende wird, hat Schlossherr Erbacher auch ein schickes Restaurant eingerichtet. Hier diniert die etablierte Society der Uckermark, und auch mancher Lehrer trinkt dort abends in Ruhe seinen Wein. Auf der schönen Terrasse werden um 22 Uhr zwar nur noch Crêpes mit Blaubeerkompott serviert, aber das ist eben so auf dem Land – der frühe Vogel fängt den Wurm.

Auch ein Drei-Sterne-Hotel für Otto Normalverbraucher befindet sich im Schloss und fast jedes Wochenende werden in den oberen Sälen Hochzeiten gefeiert. Ein Boom, von dem auch andere Herrenhäuser und Schlösser in den neuen Bundesländern profitieren. 20 Zimmer sind für Familien reserviert. Während die Eltern im Doppelbett nächtigen, steigen die Kinder auf eine Art Galerie hoch, wo sich ihre Betten befinden. Dort gibt es viel Platz für den Nachwuchs.

Oliver Erbacher hat noch mehrere Schlösser von der Treuhand gekauft, unter anderem in Altenhausen bei Magdeburg und Gadow in der Nähe von Schwerin. In allen Häusern bietet er ein Animations- und Ausflugsprogramm. Jede Gruppe bucht zusätzlich zum Übernachtungspreis Workshops und Touren hinzu. So kostet die Zauberschule, ein Töpferkurs oder ein Radioworkshop jeweils 18 Euro pro Person. Wenn das Wetter schön ist, bleibt immer noch genug Zeit, in den See zu springen oder mit geliehenen Fahrrädern die Umgebung zu erkunden.

Im vergangenen Herbst hat der Schlosstraum Erbachers allerdings einen Knacks erlitten. Der Reiseveranstalter aus Hamburg ist mit seinen Ponyschlössern Pleite gegangen. Jetzt kümmert sich sein ehemaliger Mitarbeiter Scherpelz um Boitzenburg, Erbacher fungiert nur noch als Berater. Zu schaffen macht ihm das nicht. Im Gegenteil: „Wir bieten jetzt auch ein Kinderclubhotel“, sagt er und blickt optimistisch in die Zukunft. Boitzenburg hat so lange leer gestanden, das wird so schnell niemand mehr wollen.

Schloss Boitzenburg, Templiner Str. 13, 17268 Boitzenburger Land, Tel. (03 98 89) 5 09 30, www.schlosshotel-boitzenburg.de, Preise zwischen 129 und 159 Euro pro Person für fünf Tage im Dreibettzimmer (Gruppen); für Familien und Einzelreisende gibt es spezielle Arrangements.

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