Visa-Ankläger macht den Fischer

Bisher geht es beim Kölner Visaprozess nicht um Angeklagte. Sondern darum, ob Staatsanwalt Bülles befangen ist. Nach dem Auftritt im Untersuchungsausschuss: Er liefert eine Show und bleibt

AUS KÖLN PASCAL BEUCKER

Egbert Bülles war ganz in seinem Element. „Ich bin 29 Jahre Staatsanwalt und habe nur zweimal einen solchen Antrag bekommen, zum zweiten Mal von einem Rechtsanwalt aus Düsseldorf“, polterte der kölsche Oberstaatsanwalt zur Freude der Prozessbesucher im Saal 112 des Kölner Landgerichts. Selbstverständlich sei die Forderung der Verteidigung nach seiner Ablösung völlig haltlos. „Ich fühl mich nicht befangen“, sagte der 59-Jährige Leiter der Abteilung Organisierte Kriminalität, Spezialgebiet Menschenhandel und bandenmäßige Schleusung.

So hat gestern der zweite Kölner Visaprozess begonnen. Verhandelt wird erneut gegen den 41-jährigen Diplommathematiker Anatoli Barg. Die Staatsanwaltschaft wirft ihm das gewerbs- und bandenmäßige Einschleusen von Menschen überwiegend ukrainischer Herkunft vor. Laut Anklage soll er 1.387 Personen zu einem Touristenvisa der deutschen Botschaft in Kiew verholfen haben. Der zweite Angeklagte ist der baden-württembergische Reiseschutzpassverkäufer Heinz Martin Kübler. Ihm wirft die Anklage die Beihilfe beim „Einschleusen von Ausländern“ vor. Der 43-jährige Versicherungskaufmann soll insgesamt 784 Reiseschutzpässe an Barg verkauft haben und damit einen Umsatz von 51.809 Euro erzielt haben.

Dass dieser Prozess überhaupt eröffnet wurde, ist vor allem der Hartnäckigkeit des Ermittlers Bülles zu verdanken. Denn das Verfahren gegen Kübler sollte eigentlich nach Heilbronn abgegeben werden. Aber Bülles legte erfolgreich dagegen Beschwerde ein. Auch gegen Barg hatte das Kölner Landgericht eigentlich nicht mehr verhandeln wollen. Denn schließlich war der Deutsch-Ukrainer bereits im Februar vergangenen Jahres zu fünf Jahren Haft verurteilt worden. Doch Bülles hielt dagegen: Nach der ersten Anklageerhebung seien weitere Fälle von mutmaßlicher Schleusung bekannt geworden. Im ersten Prozess gegen Barg hatte der damalige Richter Ulrich Höppner sein relativ mildes Urteil damit begründet, „dass dem Angeklagten die Begehung seiner Straftaten auf allen Ebenen von den zuständigen Behörden sehr leicht gemacht wurde“. Die herbe Richterschelte löste die Visa-Affäre aus.

Seit seinem Auftritt vor dem Berliner Visa-Untersuchungsausschuss im März diesen Jahres genießt der angriffslustige Bülles nun auch bundesweite Prominenz. Denn das frühere CDU-Mitglied mit dem rheinischen Charme teilte dort kräftig aus: Auch er betonte, dass die Schleusungen mit falschen Visa, über die er in Köln zu verhandeln habe, „mit Kenntnis und Billigung“ des Außen- und Innenministeriums erfolgt seien. Außerdem habe das Außenministerium massiv die Justiz behindert, es sei „mehr vernebelt als klargestellt“ worden. Seine Rede gipfelte in der Feststellung, er sehe einen „Anfangsverdacht“ für staatsanwaltschaftliche Ermittlungen gegen Außenminister Fischer.

Genau aus diesen Äußerungen wollte die Verteidigung Küblers nun Bülles am ersten Prozesstag einen Strick drehen. Sie beantragte seine Ablösung mit der Begründung, er habe sich einer „Verletzung der Objektivitätspflicht“ schuldig gemacht und eine „nicht mehr hinnehmbare Stimmungsmache“ gegen die Angeklagten betrieben. Außerdem sei ihm aus dem Untersuchungsausschuss beispielsweise von dem Grünen-Obmann Jerzy Montag öffentlich explizit vorgeworfen worden, er habe falsche Angaben gemacht. Bülles’ Antwort fiel kurz aus: „Alles Blödsinn!“ Das Gericht folgte Bülles. Es wies das Abberufungsbegehren als unbegründet zurück. Der Prozess soll bis Anfang September dauern.

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