Alleingang bei der Zweit-Diät

Rot-Grün will die Nebeneinkünfte von Politikern noch im Juni strenger regeln. Der enge Zeitplan wird auch in den eigenen Reihen Druck machen

Die Unionsmehrheit im Bundesrat kann das Gesetz zwar nicht verhindern, aber monatelang verzögern

von STEPHAN KOSCH
und ULRIKE WINKELMANN

Die rot-grüne Koalition hat ein Thema entdeckt, mit dem sie zur Abwechslung einmal Handlungsfähigkeit beweisen kann: die Nebeneinkünfte von Bundestagsabgeordneten.

Gut gelaunt präsentierten die parlamentarischen Geschäftsführer der SPD- und der Grünen-Fraktion, Wilhelm Schmidt und Volker Beck, gestern ein Gutachten des Berliner Staatsrechtlers Hans Meyer. Dies, sagten sie, bestätige ihre Vorstellungen darüber, was die Öffentlichkeit darüber erfahren soll, wie viel ein Abgeordneter außer seiner Diät verdient – und womit.

Nun, erklärten Schmidt und Beck, könnten die im Februar vorgelegten „Eckpunkte“ zur Veröffentlichung von Nebeneinkünften noch vor der Sommerpause Gesetz werden. Am 16. Juni solle der Bundestag beraten, am 30. Juni abstimmen. Schmidt sagte: „Das ist zwar ehrgeizig, aber nicht unmöglich.“

Schmidt und Beck behaupteten zwar, schöner sei immer noch eine Regelung gemeinsam mit der Opposition. Das gehört sich quasi, wenn alle Bundestagsmitglieder so persönlich betroffen sind. Doch indem sie den Zeitplan verkündeten und ausgiebig das Verhandlungsverhalten von Union wie FDP bemängelten, machten die beiden deutlich, dass sie nicht an einen Allfraktionenkonsens glauben. Beck beklagte die „Rollenverteilung“, wonach „wir die Lösungsvorschläge machen und die anderen bloß den Advocatus Diaboli“. Nur wenn dies sich ändere, werde man sich über den Sommer gedulden.

Ganz so schnell wie behauptet kommt ohnehin kein Gesetz zustande. Denn zwar muss die Koalition mit ihrem Entwurf nicht durch den unionsdominierten Bundesrat. Aber auch der Vermittlungsausschuss kann mit seiner neuen Unionsmehrheit das Verfahren über Monate blockieren.

Dennoch haben Schmidt und Beck gestern nicht nur Wahlkampf für die wackelnde rot-grüne Regierung in Nordrhein-Westfalen gemacht und die Opposition getriezt. Sie haben auch ihre eigenen Leute darauf festgelegt, im Zweifel das Transparenzversprechen allein umzusetzen. Nachdem Ende 2004 dank der Fälle Hermann-Josef Arentz und Friedrich Merz (beide CDU) die Nebentätigkeiten von Abgeordneten unter generellen Korruptionsverdacht gerieten, kündigten alle Parteien hier zwar mehr Durchblick an. Doch rechter Wille war zunächst nirgends erkennbar – auch in Koalitionsreihen nur bedingt.

Schmidt und Beck erklärten nun, das Ziel sei, „deutlich zu machen, ob das Abgeordnetenmandat der Mittelpunkt der Tätigkeit ist – oder das, was jemand angeblich nur nebenher macht“. Es gelte, sagte Beck, etwa solche Politiker an ihre Aufgaben zu erinnern, „die montags oder dienstags nie für Sitzungen zur Verfügung stehen und einem kackfrech ins Gesicht sagen: Ich muss erst mal Geld verdienen“. Schmidt sagte, mit den neuen Veröffentlichungspflichten „werden einige Abgeordnete ihr Verhalten ändern müssen“.

Die Opposition zeigte sich gestern überrascht, dass Rot-Grün die „Grundsatzdiskussion“ plötzlich für beendet erklärte und einen Gesetzentwurf ankündigte. Die Fraktionsgeschäftsführer von Union und FDP, Norbert Röttgen und Jörg van Essen, wehrten sich gegen den Vorwurf, sie verzögerten das Verfahren. Röttgen sagte, das rot-grüne Stufenmodell (siehe unten) bringe nur „minimalen Transparenzgewinn für die Bürger“.

Van Essen sagte zur taz, in beiden Beratungen mit den Sachverständigen hätten die Vertreter von Rot-Grün mehr Fragen gestellt als die der Opposition. „Schon daran kann man sehen, dass wir die Beratungen nicht in die Länge ziehen wollen.“ Der Wunsch, das Gesetz am 30. Juni im Bundestag zu verabschieden, werde aber respektiert, behauptete er. Allerdings erklärt van Essen eine grundsätzliche Skepsis gegen die geplante Neuregelungen. Die Veröffentlichung der Nebeneinkünfte, aber auch die Frage der Sanktionen seien weiter strittige Punkte. Für die FDP könnte eigentlich sowieso alles so bleiben, wie es ist. Das bisherige Regelwerk, sagte van Essen, sei „außerordentlich gut“.