FDP will eine West-Zone

Die Liberalen wollen aus dem Ruhrgebiet eine Sonderwirtschaftsregion machen. Gewerkschaften: FDP stellt die Sozialpartnerschaft in Frage

VON MANFRED WIECZOREK

Weniger ArbeitnehmerInnenrechte und Umweltschutz in einer „Sonderwirtschaftszone Ruhr“ heißt das aktuelle FDP-Erfolgsrezept für mehr Jobs. Sollten die Freien Demokraten einer neuen Landesregierung angehören, wollen sie das in Koalitionsverhandlungen mit der CDU durchsetzen.

Den Regionalverband Ruhr (RVR), dem heute alle Ruhrgebietskommunen angehören, wollen die Liberalen zugunsten eines freiwilligen Städte-Verbands wieder abschaffen. Die neue Vereinigung soll dann von einem Ruhr-Oberbürgermeister geführt werden und vor allem in der Wirtschaftsförderung und der Strukturpolitik weitreichende Kompetenzen erhalten. Auch der Kündigungsschutz in der „Impulsregion“ zwischen Rhein und Ruhr soll gelockert und das Tariftreue-Gesetz außer Kraft gesetzt werden – als Feldversuch für ganz Deutschland. „Wir wollen die Subventionspolitik, die diese Region auch mental herunter gewirtschaftet hat, beenden und freien Unternehmern den Weg ebnen“, erklärt FDP-Bezirkschef Andreas Reichel.

Die Gewerkschaften laufen gegen die FDP-Pläne Sturm. Josef Hülsdünker, Vorsitzender des DGB-Regionalverbands Emscher-Lippe, malt das düstere Bild einer völlig anderen Republik, sollten CDU und FDP die Landtagswahl gewinnen: „Die stellen die Sozialpartnerschaft in Frage und sagen den Gewerkschaften knallhart den Kampf an.“ Susanne Schaperdot, die in Gelsenkirchen für die FDP kandidiert, versteht die Aufregung nicht. Sie wirft der SPD vor, nicht genug für den Strukturwandel im Ruhrgebiet getan zu haben: „Die beste Strukturpolitik, ist diejenige, die die Arbeitgeber entfesselt, damit sie endlich Arbeit schaffen können“, sagt sie. Als Anwältin berate sie Betriebsräte kleiner und mittlerer Unternehmen. „Die sind gar nicht so auf Gewerkschaftslinie, wie deren Funktionäre immer behaupten“, erklärt sie.

Doch auch in der CDU stoßen die radikalen Strukturreformpläne der FDP auf Skepsis. Die Auseinandersetzung mit den Gewerkschaften diene den Liberalen lediglich als „Feindbild“, sagt der Gelsenkirchener CDU-Politiker Werner Wöll. Statt einer Sonderwirtschaftszone müsse ein Investitionsbeschleunigungsgesetz her, Bürokratie abgebaut, Subventionen für die Steinkohle gesenkt und der Ausbau der Windenergie gestoppt werden. „Im Osten Deutschlands werden Autobahnen schneller gebaut, siedeln sich Unternehmen wie BMW oder die Posttochter DHL an, die das Ruhrgebiet links liegen lassen“, so Wöll. Auch Bundeswirtschaftsminister Wolfgang Clement (SPD) rufe schließlich die Regionen zum Wettstreit im Bürokratieabbau auf.

Bereits im Sommer letzten Jahres beantragte die FDP im Landtag die Einrichtung eines Sonderwirtschaftsgebietes Ruhr. Der Vorstoß wurde in den Wirtschaftsausschuss verwiesen, eine Abstimmung gab es bis heute nicht. „Neoliberale Konzepte sind nicht geeignet, neue Arbeitsplätze zu schaffen. Sie eröffnen im Gegenteil eine Sogwirkung nach unten,“ kritisierte damals der Landtagsabgeordnete Thomas Rommelspacher (Grüne). Eine Aufhebung der Tarifautonomie oder Löhne unter Mindestniveau würden die Wirtschaft nicht voranbringen und seien Gift für die Konjunktur.

Auch Heike Gebhard, Mitglied im SPD-Landesparteiratlehnt die FDP-Pläne ab. Der Strukturwandel müsse ohne Strukturbrüche gestaltet werden. Sozialdemokraten und Grüne wollten deshalb die Wirtschaftsbranchen Erneuerbare Energien, Gesundheitswirtschaft und Nano-Technologien stärken. Das entspricht dem vom DGB Emscher-Lippe geforderten „Masterplan“ für die Region.

Heike Gebhard appelliert deswegen an die „Vernunft“ der Wähler: „Der FDP-Vorstoß macht deutlich, dass die Landtagswahl in NRW eine Richtungswahl ist.“