„Hätten Ampel fortgesetzt“

taz: Herr Jäger, woran ist die Ampel-Koalition zerbrochen?

Claus Jäger (FDP), Ex-Wirtschaftssenator: Sicher nicht nur an der so genannten Piepmatz-Affäre. Die Ampel hatte einen in ihr wohnenden Spannungsbogen zwischen vorrangig ökologischen Interessen bei den Grünen und eher ökonomischen Interessen bei der FDP. Die waren aber nicht unüberbrückbar.

Die Ampel wäre auch nach der so genannten Piepmatz-Affäre noch zu retten gewesen?

Aus Sicht der FDP schon. Wir haben den Rücktritt des grünen Umweltsenator Ralf Fücks gefordert, der nicht mehr tragbar war. Wäre er gegangen, hätten wir die Ampel bis zum Ende der Legislaturperiode fortgesetzt.

Warum haben Sie die Ampel gegründet?

Wir wollten die Verkrustungen der jahrelangen SPD-Alleinherrschaft aufbrechen und mehr bürgerverankerte, liberale Politik machen. Sachlich hatten wir damals ein ordentliches Verhältnis.

Überwiegen die Erfolge oder Misserfolge der Ampel?

Ganz klar die Erfolge. Wir haben die Dominanz der SPD insbesonders in der Bildungspolitik gebrochen und das Sanierungsprogramm auf den Weg gebracht. Das wird heute gern vergessen, weil die Außendarstellung miserabel war. Aus der Sicht vieler Bürger haben sich die herausragenden Figuren der Koalition zu viel gestritten.

Wann war das Verhältnis unter den Koalitionspartnern irreparabel?

Irgendwann nach der Hälfte der Legislaturperiode. Die Ampel war ein Bündnis auf Zeit, so habe ich das immer gesehen.

Warum?

Nach der Bundestagswahl 1994 strebten die Grünen und große Teile der SPD in Bremen eine rot-grüne Koalition an. Dafür machten sie Front und suchten den Konflikt mit der FDP. Das war irgendwann nur noch schwer zu ertragen. Ein Dreierbündnis ist immer schwierig, da lieben sich zwei eben mehr – und wir waren außen vor.

In der Rückschau: Welche Fehler haben Sie damals gemacht?

Mit unseren Inhalten lagen wir richtig. Und auch die Abwahl von Ralf Fücks war nötig. In der Zuspitzung hätten wir Arbeitsplätze statt Nistplätze fordern sollen. Rückblickend hätte ich mir manchmal mehr Gelassenheit gewünscht. Nach der Wahl 1995 haben wir für die Ampel mit Wählerstimmen bezahlt.

Haben Sie es je bedauert, diese Koalition eingegangen zu sein?

Nein, wir haben Risiken erkannt. Die Leistungen der Ampel waren beachtlich. Davon profitiert die große Koalition heute noch.

Claus Jäger (61, Foto mitte), FDP seit 1969, 1974 Mitarbeiter der Bürgerschaftsfraktion, 1975-1979 deren Geschäftsführer, danach vier Jahre Vize-Fraktionschef, 1987-1991 schließlich Fraktionsvorsitzender. 1986-1988 und 1993-2003 FDP-Landesvorsitzender, 1991-1995 Wirtschaftssenator.