TRANSPARENTE VORSTANDSGEHÄLTER: AUCH STEUERZAHLER SIND NEUGIERIG
: Die Angst der Intendanten

Schon bisher waren die meisten Managementgehälter und ihre Entwicklung öffentlich. So ist bekannt, dass die deutschen Stahl-Chefs ihre Bezüge im letzten Jahr um 40 bis 50 Prozent steigern konnten – während die Stahlarbeiter nur ein Zehntel davon als Zuwachs bekommen. Solche Vergleiche der Ungerechtigkeiten werden nun aber noch einfacher. Morgen will das Kabinett einen Gesetzentwurf beschließen, der die Manager aller börsennotierten Unternehmen zwingt, ihre Vergütungen offen zu legen.

Ändern wird sich nicht viel. Schon jetzt veröffentlichen 70 Prozent der DAX-Unternehmen ihre Vorstandsgehälter. Und für Geheimniskrämer bietet sich auch künftig ein Ausweg: Wenn drei Viertel der Aktionäre zustimmen, kann die Publikationspflicht umgangen werden. Die Hürde der 75-Prozent-Mehrheit klingt anspruchsvoll – doch ist sie oft leicht zu nehmen, weil sich die Aktien vieler Firmen auf wenige Großanleger verteilen.

Diese „Opting-Out-Regelung“ ist international einmalig. Offiziell soll damit eine „Neiddebatte“ verhindert werden. Mit dieser Wortwahl fördert die Regierung ein Missverständnis, das kurz vor den Landtagswahlen in Nordrhein-Westfalen gelegen kommen dürfte: Viele Wähler werden das neue Transparenzgesetz für reale SPD-Kapitalismuskritik halten. Nichts könnte falscher sein. Das Gesetz soll nur die Anleger, also die Kapitalisten stärken.

Zumindest theoretisch. Faktisch hat sich in den USA gezeigt, dass transparente Gehälter zu einer „Nivellierung nach oben“ führen – die Vorstände erpressen ihre Aktionäre mit dem Wissen um das Gehalt anderer Manager. Dennoch könnte das Gesetz ungeplante Wirkungen entfalten: bei den öffentlichen Betrieben, die gar nicht gemeint sind. Wenn Manager ihre Gehälter veröffentlichen – warum nicht auch Sparkassendirektoren, Rundfunkintendanten oder U-Bahn-Chefs? Das wird spannend. Denn während reiche Großaktionäre oft bereit sind, ihre Manager gut verdienen zu lassen, ist so viel Geberlaune vom Steuerzahler nicht zu erwarten. Dort würde tatsächlich eine „Neiddebatte“ losbrechen. Zu Recht. ULRIKE HERRMANN