Stark auch in Krisenzeiten

RESILIENZ Psychologen suchen nach dem Schlüssel zur inneren Stärke und konzentrieren sich dabei auf die Menschen, die trotz belastender Lebensumstände stabile Persönlichkeiten bleiben

■ Der Begriff geht auf das lateinische „resilere“, zu Deutsch abprallen, zurück. In der Psychologie bezeichnet er die psychische Widerstandsfähigkeit, die Menschen Krisen und widrige Lebensumstände schadlos überstehen lässt.

■ Die „Kauai“-Studie gilt als wegweisend zum Thema. Die US-Psychologin Emmy Werner verfolgte die Entwicklung von 698 Kindern auf der hawaianischen Insel Kauai. Ein Drittel von ihnen wuchs trotz Armut oder psychischer Erkrankung eines Elternteils zu erfolgreichen Erwachsenen mit optimistischer Lebenseinstellung heran.

VON NIELS HOLSTEN

Zwei unterschiedliche Personen in ähnlichen Lebenssituationen: Nennen wir sie Armin und Sarah. Beide sind seit einem Jahr arbeitslos, beide haben ihre Partner verloren. Sarahs Mann starb, Armins Frau trennte sich, weil sie die neue Situation und besonders ihren Mann, der sich mehr und mehr selbst bemitleidete, nicht mehr ertrug. Was Armin und Sarah verbindet, ist das gleiche Schicksal, was sie trennt, der Umgang damit. Armin hat sich zurückgezogen, ist häufig krank und wirkt wie ein gebrochener Mann. Sarah treibt viel Sport, hat sich coachen lassen und macht sich demnächst selbstständig.

Warum zerbricht der eine an seiner Lebenskrise und die andere beginnt ein neues Leben? Sarah scheint das zu besitzen, was die Forscher psychische Widerstandsfähigkeit nennen, kurz: Resilienz. Die Psychologen interessiert, welche Eigenschaften einen widerstandsfähigen Menschen ausmachen, und wie diese erworben und gefördert werden können. Sie fanden heraus, dass widerstandsfähige Menschen nicht mit ihrem Schicksal hadern, sondern die Situation und die damit verbundenen Gefühle akzeptieren. Sie sehen sich nicht als Opfer ihrer Umwelt, sondern nehmen ihr Schicksal in die Hand. Sie suchen nach Lösungswegen und scheuen sich dabei nicht, Neues auszuprobieren und Hilfe in Anspruch zu nehmen. Resiliente Menschen sind beziehungsfähig, sie haben ein funktionierendes soziales Netzwerk, wenigstens aber einen Menschen, dem sie vertrauen und der sie bestärkt. Sie sind unabhängig, handeln mutig und entschlossen. Den Forschern zufolge ist all dies erlernbar und kann in allen Lebensphasen gefördert werden. Ein Teil scheint zwar angeboren zu sein, dennoch ist Resilienz keine Eigenschaft, die einmal erworben, uns immer zu eigen bleibt. Sie wird vielmehr im steten Zusammenspiel mit der Umwelt erlangt.

Eltern und Pädagogen kommt dabei eine entscheidende Rolle zu. Denn am leichtesten lässt sich das Rüstzeug in den ersten zehn Lebensjahren erwerben. Kinder sollten demnach vor allem auf ihre Stärken aufmerksam gemacht werden, und nicht auf ihre Defizite. Indem sie die Möglichkeiten bekommen, erfolgreich Verantwortung zu übernehmen, wird ihr Vertrauen gestärkt, Stress und Krisensituationen bewältigen zu können.

Was für Kinder die Schule, ist für Erwachsene der Arbeitsplatz. Permanente Über- oder Unterforderung, beschränkte Handlungsspielräume und mangelnde Unterstützung lassen auch den widerstandsfähigsten Menschen ins Wanken geraten. Es liegt somit im ureigensten Interesse des Arbeitgebers, die Arbeit so zu gestalten, dass sie den Menschen stärkt.