In Mozarts Taschen

RADIALSYSTEM In „gefaltet“ begegnen Sasha Waltz und der Komponist Mark Andre der Musik von Mozart

Da ist ein Mann, der das Rauschen und Knistern in seine Tasche stecken kann. Er wird sich später als Pianist erweisen, aber bevor es so weit ist, ist er der Knisterer, der mit Füßen und Händen eine große Folie bearbeitet, die schließlich in seiner Hosentasche verschwindet. Ein Klang wird weggefaltet.

Aber das ist nur eine kleine Faltung in dem Stück „gefaltet“, das die Choreografin Sasha Waltz und der Komponist Mark Andre gemeinsam entwickelt haben. Optisch auffallend sind die vielen Stofffalten in den Kostümen, die Beate Borrmann für die acht Tänzer und vier Musiker entwickelt hat, aus glänzenden Stoffen, ausgestellt mal an den Hüften, mal an den Knien, und mit einer Anmutung von barocken Rüschen. Sie haben anfangs etwas Steifes und Feierliches. Man könnte meinen, eine in höfischen Ritualen festgefrorene Gemeinschaft zu sehen in der ersten Szene, in der Tänzer und Musiker sich nur mit kleinen Schritten als Formation bewegen. Die Streicher spielen dabei ein Divertimento von Mozart. Sie werden später auch im Liegen spielen und von den Tänzern getragen und auch einmal sehr, nun ja, zusammengefaltet. Da hat sich alles Steife längst verloren.

Was man zu hören bekommt, sind sechs Stücke von Mozart, Divertimenti, Sonaten und mehr, und, sozusagen dazwischengefaltet, Kompositionen von Mark Andre, in denen der Rhythmus von Schritten, Sprüngen und Hüpfern der Tänzer genauso zum Klangmittel wird wie das trockene Klappern der Klaviertasten ohne Ton.

Eine lange Passage bestreiten die Violinisten mit Schaben, Scharren und Knarzen, verlangsamt ziehen die Violinenbögen über die Saiten und den Resonanzkörper, derweil die Tänzer in ein ebensolches Zerdehnen der Bewegungen gehen. Das hat etwas sehr Artifizielles, eine Kunstübung eben. Anderes hingegen ist hinreißend, etwa wenn die Tänzer die Violinenbögen wie Degen durch die Luft führen und die scharf schneidenden Gefechtsgeräusche schließlich stimmlich verdoppeln, ein zierliches Duell aus zischenden Lauten. Und schon zuvor hatte, wie die Tänzer sich zu einer Passage Mozarts herausfordernd begegneten, etwas von einem Battle der Dandys.

In Salzburg wurde „gefaltet“ im Rahmen einer Mozart-Woche uraufgeführt, im Radialsystem ist die Produktion nun als Teil der Märzmusik. Das Seltsame ist, dass in der Verknüpfung der historischen und der zeitgenössischen Musik der auf der Zeitachse weiter von uns entfernte Mozart wesentlich vertrauter und unkomplizierter wirkt als das Klangmaterial von Mark Andre. Dabei dreht sich das Tanzstück auch um die Rezeption von Musik, am Ende mimen die Tänzer innig Lauschende, wie zufällig um den Flügel verstreut. Einer solchen manirierten Anordnung aber braucht es nicht, um Mozart zu hören.

Andere Passagen sind frei von diesem aufgesetzten Duktus. Dann gehen Tanz, alte und neue Musik wunderbare Verbindungen ein, in denen die Kompositionen plastisch und körperlich an Leben gewinnen.

Das Virtuose und das Anmutige, zwei Figuren aus vergangenen Kunstepochen, gehen mit dem Spröden und Asketischen neue Beziehungen ein. Überfluss, an Tönen, an Bewegungen, begegnet Verzicht. Und das ist das Material, aus dem Sasha Waltz schon immer sehr viel herauszuholen wusste.

KATRIN BETTINA MÜLLER

■ „gefaltet“. 17. + 18. März, 29. + 30. Juni im Radialsystem