Eine Nachkriegsverfassung für den Kongo

Übergangsparlament in Kinshasa verabschiedet Verfassungsentwurf als ersten Schritt in Richtung freie Wahlen

BERLIN taz ■ Die Demokratische Republik Kongo hat den größten Schritt Richtung einer Nachkriegsordnung seit Einsetzung der Allparteienregierung aus den bisherigen Kriegsparteien vor knapp zwei Jahren getan.

Das Übergangsparlament in der Hauptstadt Kinshasa verabschiedete am späten Freitag den Entwurf einer neuen Verfassung für die Zeit nach den geplanten freien Wahlen. Für gestern war eine feierliche Sitzung zur Bestätigung des Votums in Anwesenheit von Südafrikas Präsident Thabo Mbeki, dem Chefvermittler des kongolesischen Friedensprozesses, vorgesehen. Monatelange Beratungen und politischer Streit waren der Abstimmung vorausgegangen. Zeitweise hatte es so ausgesehen, als würden die strittigen Fragen der zukünftigen Staatsform den Friedensprozess insgesamt blockieren. Nun stimmten von 361 anwesenden Abgeordneten 348 für den Entwurf, fünf dagegen und acht enthielten sich. 139 Parlamentarier waren nicht da, aber das kommt in Kinshasa öfter vor.

Die neue Verfassung ist nötig, weil bisher im Kongo nur eine Übergangsverfassung aus dem Jahre 2003 gilt, die die Institutionen der Übergangsregierung regelt und nicht für Institutionen taugt, die aus freien Wahlen hervorgehen. In einem wesentlichen Punkt zogen die ostkongolesischen Rebellen und die zivile Opposition den Kürzeren gegenüber den Anhängern von Staatschef Joseph Kabila: Die neue Verfassung sieht keinen Föderalismus vor, also eine weitgehende Autonomie der Provinzen in einem Bundesstaat, sondern einen „dezentralisierten Einheitsstaat“.

Die Föderalisten setzten sich aber in einem anderen Punkt durch: Die Macht des Staatschefs fällt geringer aus als bisher. So wird der Posten eines Premierministers eingerichtet, der nicht vom Präsidenten bestimmt wird, sondern von der Mehrheitsfraktion im Parlament.

Viele Beobachter kritisieren, dass die Ausarbeitung des Verfassungstextes praktisch unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfand und so wie alle anderen Entscheidungen des Friedensprozesses Ergebnis von Geschacher zwischen Warlordfraktionen gewesen ist. Aber immerhin sind diese mit dem Ergebnis einigermaßen zufrieden. Von einem „Punkt der Unumkehrbarkeit“ sprach Kongos führende Tageszeitung Le Potentiel. Um in Kraft zu treten, muss es über den Entwurf eine Volksabstimmung geben, die nach Hoffnung der Behörden noch dieses Jahr stattfinden wird. Dafür muss das Parlament als nächstes eine Verlängerung der Amtszeit der Allparteienregierung beschließen, die nach dem bisherigen Zeitplan am 30. Juni ausläuft. Die geltenden Friedensabkommen sehen die Möglichkeit einer zweimaligen Verlängerung um jeweils sechs Monate vor, also bis spätestens Juni 2006.

Erst wenn die neue Verfassung per Referendum angenommen ist, können Parlaments- und Präsidentschaftswahlen stattfinden. Mangels Vorbereitung rechnen Beobachter nicht damit, dass dies noch 2005 möglich ist. DOMINIC JOHNSON