„Newsweek“ zieht die Notspülung

Erschrocken vom Ausmaß der Gewalt in der islamischen Welt, den ein Artikel des eigenen Blattes ausgelöst hatte, relativiert das US-Magazin „Newsweek“ seinen Bericht über Koranschändungen in Guantánamo – ohne die Geschichte zu widerrufen

VON BERND PICKERT

Das US-Nachrichtenmagazin Newsweek hat von seiner Behauptung Abstand genommen, in einem internen Untersuchungsbericht des US-Südkommandos würde beschrieben, dass US-Soldaten im Gefangenenlager Guantánamo eine Ausgabe des Korans in eine Toilette gespült hätten. Der kurze Artikel aus der Newsweek-Ausgabe vom 9. Mai hatte in Afghanistan und anderen Teilen der islamischen Welt Demonstrationen gegen die USA und Unruhen ausgelöst, bei denen mindestens 17 Menschen ums Leben kamen.

Im Newsweek-Artikel hatte es geheißen, ein demnächst fertig gestellter Untersuchungsbericht des US-Südkommandos über Vorwürfe gegen US-Soldaten im Gefangenenlager in Guantánamo enthielte neue Details, darunter den Vorwurf, zur Demütigung von Gefangenen bei Verhören sei eine Ausgabe des Korans in eine Toilette gespült worden. Zwar hatten die Newsweek-Journalisten den Entwurf des Berichts selbst nicht einsehen können, doch eine langjährige glaubwürdige Quelle aus der US-Regierung hätte den Reportern davon berichtet.

In der neuesten Ausgabe von Newsweek wird dieser Teil der Geschichte nun relativiert: Bei einem weiteren Gespräch am vergangenen Samstag sei sich die Quelle nicht mehr sicher gewesen, tatsächlich in dem betreffenden Berichtsentwurf davon gelesen zu haben. Er könne sich genau entsinnen, in Untersuchungsberichten von diesen Vorgängen erfahren zu haben, könne aber nicht mit Sicherheit sagen, ob es wirklich im Bericht des Südkommandos war.

Pentagonsprecher Laurence DiRita, schreibt Newsweek, sei „explodiert“, als er von dieser Wendung erfahren habe: „Menschen sind wegen dem gestorben, was dieser Hurensohn gesagt hat. Wie könnte er jetzt glaubwürdig sein?“ Das US-Verteidigungsministerium hatte nach eigenen Angaben versucht, dem Newsweek-Bericht nachzugehen und hatte keinerlei Hinweise auf die Vorwürfe gefunden. „Newsweek versteckt sich hinter anonymen Quellen“, erklärte Bryan Whitman, ein Pentagonsprecher.

„Wir bedauern es, wenn Teile unserer Geschichte falsch waren“ schreibt Newsweek-Herausgeber Mark Whitaker in der neuesten Ausgabe. Sein Beileid ginge auch an die Opfer der Gewalt – und an die US-Soldaten, die mittendrin steckten. In Whitakers Editorial und einem weiteren Artikel legt das Blatt dann offen, wie die Entscheidung untermauert worden sei, die Information zu drucken. Demnach hatte Newsweek-Reporter Michael Isikoff von den internen Untersuchungen des Südkommandos erfahren und einen langjährigen Informanten im Regierungsapparat angerufen, von dem er annehmen konnte, dass er informiert sei. Diese Quelle habe ihm dann gesagt, dass der Bericht neue Details enthalte, inklusive der Toilettengeschichte. Beim Südkommando selbst wollte man dazu Isikoff gegenüber keinen Kommentar abgeben. Der sicherheitspolitische Newsweek-Korrespondent legte schließlich das Manuskript des kurzen Artikels noch einem hochrangigen Beamten im Verteidigungsministerium zur Prüfung vor, ob die Informationen korrekt seien. Der beanstandete lediglich einen anderen Aspekt – kannte aber, wie Newsweek jetzt schreibt, offenbar den Südkommando-Bericht selbst gar nicht.

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