KURZKRITIK: HENNING BLEYL ÜBER ORCHESTERZEICHNUNGEN
: Vom Ton zum Strich

Susanne Pikullik-Bastian hat sich auf einen im besten Sinn interdisziplinären Prozess eingelassen: Über Jahre besuchte sie die Proben der Bremer Philharmoniker, um mit leichtem Strich Skizzenblock um Skizzenblock zu füllen. Eine Auswahl von 80 Blättern ist nun bei Donat erschienen.

Das Spannende an diesen Spontan-Studien ist die Frage, wie sich Bewegung und Momentaufnahme zueinander verhalten: Menschen machen Musik, die ihre Körper in Bewegung versetzt, die Zeichnerin lässt dazu ihren Stift tanzen, wodurch wiederum erstarrte Konturen entstehen.

Der Weg vom Ton zum Strich wirkt bei Pikullik-Bastian wie eine Gravur des eben Gehörten: Das Panoptikum von 15 Bildern der Geigerin Midori ist derart suggestiv, dass die Stimmungen des geprobten Mendelssohn-Bartholdy-Konzerts nuanciert plastisch werden. So gesehen mutiert die Zeichnung ihrerseits zur Partitur.

Auch die rückwärtige Ansicht von Dirigenten hat es der Künstlerin angetan. Ausgehend von den Pobacken als Fixum wirft sie konzentrierte Statuen und wilde Sequenzen auf‘s Papier, die mehrarmige Maestri mit multiplen Häuptern zeigen. Donat hat „Orchesterzeichnungen“ exzellent und großformatig produziert, als gelungene Hommage an die Körperlichkeit von Musik.