Jazz für scheintote Angestellte

UMSONST UND DRAUSSEN Kitty Hoff schickt angenehme Lounge-Klänge über die Spree am Badeschiff – fast schon ein wenig zu angenehm

Kitty Hoff redet über Leerstellen hinweg, die gewöhnlich andere Instrumente füllen

Es gibt zwei für Berlin sehr typische Phänomene, die in diesem Sommer jeden Mittwoch zusammentreffen: einerseits das Abhängen am Fluss – mit importiertem Sandstrand, in den Fluss gebauter Bademöglichkeit und Bar mit Liegestühlen. Und andererseits jene Musik, die allenfalls für scheintote Angestellte auf Afterwork-Cocktailpartys gedacht ist – oder eben als Wohlfühlmusik für Daheimgebliebene in ihrer Badewanne oder auf ihrer rotweinbefleckten Chaiselongue. Musik, die ihre Wurzeln oft in den 20er-Jahren hat. Die gutbürgerlich daherkommt und trotzdem mit Kredit bedacht wird.

Langer Rede kurzer Sinn: Jeden Mittwoch findet am Badeschiff in Treptow ein Umsonst-und-draußen-Konzert statt, bei dem nicht nur die Berliner Lo-Fi-Szene aufspielt, sondern auch KünstlerInnen, die sich besagter Erwachsenenmusik verschrieben haben. An diesem Mittwoch war das Kitty Hoff.

Leichtfüßiger Vocal Jazz

Kitty Hoff stammt aus Münster, ist nach vielerlei Musikstudien nach Berlin gezogen und hat sich kontinuierlich hochgearbeitet. Ihr jüngstes Album, „Zuhause“, ist bei Blue Note erschienen. Als leichtfüßigen Vocal Jazz oder deutschen Chanson kann man ihre Musik bezeichnen – loungig, leicht zu hören, aber schwer zu spielen.

An diesem Mittwochabend im ordentlich vollen Areal am Badeschiff trifft sie nicht jeden Ton, und es klingt auch nicht alles nach Platte. Was aber auch das Konzept dieser Reihe ist: „Ohne Strom“ sollte gespielt werden – also hat Kitty Hoff ihre Band zu Hause gelassen und stattdessen nur ein krummes Glockenspiel, eine einfache Harmonika und ihren patenten Gitarristen Phil Marone mitgebracht.

Und so schweben angenehme Klänge über die Spree, über das türkis leuchtende Wasser im Bassin des Badeschiffs und durch die Gassen zwischen den ehemaligen Industriebauten ringsum. Kitty Hoff säuselt, Phil Marone zupft die Saiten, die Leute stecken ihre Füße in den Sand. Es ist alles recht angenehm, ja fast ein wenig einschläfernd, wären da nicht der Regen, Frau Hoff und ihr recht spezieller Humor.

Kitty Hoff ist eine sehr selbstbewusste Frau Mitte dreißig – für manchen Geschmack wohl zu selbstbewusst, doch das gleicht sie durch die Gabe der Selbstironie wieder aus. Kein Song, kein Lied, kein Chanson kommt ohne ihren Zwischenkommentar aus. Sie spricht mit dem Publikum, amüsiert sich über ihren misslungenen Einsatz am Glockenspiel, redet über Leerstellen hinweg, die gewöhnlich andere Instrumente füllen, irritiert damit ihren Gitarristen und entdeckt am Ende begeistert eine Kreuzspinne am Bühnenzelt.

Düdelig und lebensweise

Lustig sind auch ihre Texte, obwohl nicht immer klar ist, ob diese Lustigkeit auch eine freiwillige ist. Hier wird mal Hose auf Matrose gereimt, anderswo heißt es ganz schön albern: „Das Leben ist ein Baum/ und der Mensch ist ein Specht“. Neben all der genretypischen Düdeligkeit, mit der irgendwas Lebensweises an die Zuhörer weitergereicht wird, weisen ihre Texte eben auch ein paar Haken auf: Das Baum-Specht-Lied steigert sich in das Fazit „Alles, was zählt, ist deine Rhythmusleistung“ hinein, an anderer Stelle ist beispielsweise von einer„Samba im Weltall“ die Rede.

Den Rest besorgen die Stimmung, der Sommer, das Bier. Und Coralie Clément, von der sie gleich zwei Lieder sang. Ihre Vorbilder sind Kitty Hoff also durchaus bewusst. RENÉ HAMANN

■ Nächste Konzerte: heute und am 7. 9., 20 Uhr, Brandenburger Tor, BerlinRevue mit Mark Scheibe