Doch, ganz ernsthaft: Nobelpenner stehen für den Pop mit Witz und Schnaak machen in Lärm

Humor ist, heißt es ja so, wenn man trotzdem lacht. Nobelpenner jedenfalls empfehlen gleich zum Einstieg in ihr Album „Meinten Sie Nibbelpeter?“ dem männlichen Zuhörer, sein primäres Geschlechtsorgan als Tonabnehmer einzusetzen: „Put your Schniedel on the record and dance“.

Und so geht es fröhlich weiter. Mitunter sogar feucht-fröhlich. In „Hölle“ zum Beispiel, wo die gar erschröcklichen Folgen der Masturbation für die menschliche Seele überaus eindrücklich besungen werden. Doch es geht auch anders: Sofort darauf, in „Fuck the Wörld, Olé!“, kopiert das Hamburg-Berliner Trio den verstorbenen Lausitzer Baggerfahrer und Liedermacher Gundermann so perfektionös, dass einem ganz warm ums Herz wird. Im weiteren Verlauf tauchen neben einem Banjo (sehr schön) und einem Akkordeon (auch nicht schlecht) immer wieder andere Größen der Musikgeschichte auf: Johnny Cash, Herbert Grönemeyer, Hans Albers, Alexandra. Oder auch nicht.

Aber egal: Das Wiedererkennungsspielchen ließe sich endlos weiterspielen, doch Nobelpenner sind nicht nur versierte Parodisten. Zwischen den vielen Reminiszenzen und der detailverliebten Vergangenheitsbewältigung wächst durchaus etwas Neues, ganz Eigenes. Vor allem schält sich aus den Anspielungen heraus ein freundlicher, bisweilen melancholischer Humor. Ob die Liebeserklärung an die Bedienung aus der Kaffeehauskettenfiliale oder die Auseinandersetzung mit dem bedrohlichen Satanismus: Schon eine ganze lange Weile, seit den besten Tagen von Kirmes oder lotte ohm ungefähr, wurde nicht mehr so liebevoll ironisch mit musikalischen Andeutungen gearbeitet, wurden so verschlungene popmusikalische Spuren gelegt. „Meinten Sie Nibbelpeter?“ ist, ganz ernsthaft jetzt mal, großartige Popmusik mit einem großartigen Witz – und bislang vollkommen zu Unrecht weitgehend ignoriert.

Lärm dagegen ist, wenn man ihn trotzdem macht. Schnaak sind der Gitarrist Mathias Jähnig und der Schlagzeuger Johannes Döpping. Die haben sich für „Women On Ships Are Bad Luck“ fünf Tage lang im Studio eingeschlossen, um die Sau rauszulassen. Man darf auch improvisieren dazu sagen. Wie auch immer: Schnaak machen ziemlich exakt da weiter, wo das Caspar Brötzmann Massaker in den Neunzigern einst aufgehört hat: Noise, Atonalität, Exzesse auf sechs Saiten und eine Ladung durchgedroschener Trommelfelle. Dann aber gibt es immer wieder Momente auf „Women On Ships Are Bad Luck“, in denen sich die Assoziationen so quer stellen, dass die Absurdität der ganzen Unternehmung entlarvt wird. Oder in denen die Lärmwände mit großem Getöse einbrechen, um den Blick freizugeben auf die eingeschränkte musikalische Vorstellungswelt des Zuhörers.

Und da treffen sich Schnaak und Nobelpenner: Beide spielen sie sehr geschickt mit den Erwartungshaltungen des Hörers, bestätigen und enttäuschen sie gleichzeitig. Und kommen bei gleicher Verfahrensweise doch zu vollkommen unterschiedlichen Ergebnissen.

THOMAS WINKLER

■ Nobelpenner: „Meinten Sie Nibbelpeter?“ (IT-Sounds/EMI)

■ Schnaak: „Women On Ships Are Bad Luck“ (Discorporate/Soulfood)