„Das ist ein Hammer“

Satte 2,5 Milliarden Euro müssten jährlich gespart werden, um den Bankrott Niedersachsens zu vermeiden

Argentinien erklärte ihn vor vier Jahren, Deutschland im vergangenen Jahrhundert gleich zwei Mal: den Staatsbankrott. Stefan Homburg hat errechnet, wie viel Niedersachsen sparen müsste, um mittelfristig der Zahlungsunfähigkeit zu entgehen – und war selbst überrascht: Es sind dauerhaft jährlich 2,5 Milliarden Euro, etwa ein Achtel des Landesetats. „Das ist natürlich ein Hammer“, sagt Homburg. Gestern legte der Finanzwissenschaftler von der Uni Hannover, der Ministerpräsident Wulff wie die Bundesregierung berät, im Auftrag des Bundes der Steuerzahler (BdSt) eine Studie zur „Nachhaltigen Finanzpolitik“ vor.

Homburg kalkuliert darin, dass sich die Landesschulden von heute 48 auf 248 Milliarden Euro im Jahr 2030 verfünffachen würden, wenn nichts Gravierendes passiert. Jeder zweite Euro ginge dann in Pensionen oder Zinsen, für Gehälter oder gar Investitionen wäre kein Geld mehr vorhanden. Eine Mehrwertsteuererhöhung von sieben Prozent würde dem Landesetat die nötigen 2,5 Milliarden Euro bringen. Weil die Länder ihre Einnahmen durch Steuern jedoch gar nicht erhöhen können, aber auch, weil so ein Steuerhammer politisch nicht durchsetzbar wäre, müssen laut Homburg „Kürzungen von ganz anderem Kaliber stattfinden als bisher“.

Prompt präsentierte BdSt-Landeschef Axel Gretzinger eine Horror-Streichliste, um „das Bewusstsein für den Ernst der Lage zu schärfen“. Darin enthalten: Nur noch fünf statt neun Ministerien, ein Ende der Wohnungsbauförderung, Einsparungen bei der Sozialhilfe, bei Pflegeleistungen und im öffentlichen Nahverkehr. Auch die Jugendsozialarbeit gehöre nicht zu den Kernaufgaben des Staates. Einsparungen im Bildungsbereich seien zwar im öffentlichen Diskurs derzeit „quasi tabu“, sagte Gretzinger. Dennoch müsse man Schulen schließen, wenn die Zahl der Schüler sinke. Auch Studiengänge und Uni-Standorte sollten dichtgemacht werden. Homburg fügte hinzu, es sei „nur gerecht“, wenn man im öffentlichen Dienst wie in der privaten Wirtschaft betriebsbedingt kündige: „Die natürliche Fluktuation reicht nicht aus, um den nötigen Personalabbau hinzubekommen“.

Natürlich betonte Finanzminister Hartmut Möllring (CDU) gestern, Homburgs Gutachten zeige, dass die Landesregierung „auf dem richtigen Weg ist“. Dabei hatte Möllring seine eigene Vorgabe, die Kreditaufnahme um jährlich 350 Millionen Euro zu senken, nur durch Tricks und Schattenhaushalte einhalten können. Vor wenigen Tagen waren die Prognosen der Steuerschätzer eingetroffen. Danach brechen dem Land im laufenden Jahr 264, im nächsten sogar 586 Millionen Euro Einnahmen weg, hinzu kommt eine Deckungslücke in Höhe von 436 Millionen und 150 Millionen Euro Mindereinnahmen aus dem vergangenen Jahr. Anfang Juli lotet das Kabinett in Klausur aus, wie die Neuverschuldung 2006 auf 1,8 Milliarden Euro gesenkt werden kann.

Kai Schöneberg