Das Vermächtnis der Druiden

Etliche Nutztierrassen vergangener Zeiten sind vom Aussterben bedroht, weil sich heutzutage kein Mensch mehr für sie interessiert – mit Ausnahme der pragmatischen Tierschützer im schleswig-holsteinischen Tierpark Arche Warder

Geschäftsführer Laing will Köche kontaktieren, um ihnen die Moorschnucken schmackhaft zu machen

von Esther Geißlinger

Der Mann schützt Tiere. Mit Messer und Gabel. Die Kutsche rumpelt durch die „Schweinestraße“, vorbei an Gehegen mit im Schlamm wühlenden Säuen. Glückliche Säue, davon ist auszugehen. Auch wenn Heinrich Laing jetzt unter der Plane den Picknickkorb auspackt und breite Scheiben Schinken abschnippelt, der von einem Tier stammt, das noch vor kurzem da draußen im Gehege grunzte. Was einem Vegetarier den Schweiß auf die Stirn treiben würde, sieht Laing, Geschäftsführer des Tierparks Arche Warder, pragmatisch: Die Tierarten, um die es ihm geht, überleben nur, wenn sie dem Menschen nützlich sind.

Der Park im Schleswig-Holsteinischen Örtchen Warder, direkt an der Autobahn 7 zwischen Neumünster und Rendsburg gelegen, ist Europas größtes Zentrum für seltene und aussterbende Haustierrassen. Rund 130 verschiedene Arten muhen, grunzen, meckern und wiehern in den Gehegen, etwa 1.200 Tiere beherbergt der Park insgesamt. Von einigen Arten existieren weltweit nur noch ein paar Hundert Individuen, bei anderen sind es ein paar Tausend – Woche für Woche verschwindet weltweit eine Nutztierrasse für immer. Allein in Deutschland stehen derzeit 90 Arten auf der Roten Liste.

Anders als Wildtiere haben Nutztiere mit besonderen Problemen zu kämpfen: Sie wurden irgendwann gezüchtet, weil sie nützliche Eigenschaften hatten, und sie verschwinden, wenn diese Eigenschaft nicht mehr gebraucht wird. Beispielsweise die Englischen Parkrinder, stämmige Tiere mit weißem Fell und auffälligen schwarzen Flecken um die Augen. Keltische Druiden züchteten sie aus Auerochsen – das weiße Fell machte sie seinerzeit zu idealen Opfern für die Götter. Später ließen englische Burgherren sie in ihren Parks laufen, um sie zu jagen.

Heute, wo Druiden wie Burgherren selten geworden sind, stirbt das Parkrind aus. Ähnlich geht es dem Poitou-Esel, der früher als Arbeitstier und zur Maultierzucht beliebt war. Seit Maschinen die Tiere auf dem Feld ersetzt haben, braucht niemand mehr Esel: weltweit existieren noch rund 200 Poitou.

„Darum ist es am besten, die Tiere wieder in den wirtschaftlichen Kreislauf zu bringen“, sagt Laing. „Wenn es eine Nachfrage nach ihren Fähigkeiten gibt, entsteht ein Anreiz, sie zu züchten.“

So versteht sich der Park „halb als Zoo, halb als landwirtschaftlicher Betrieb“ – im eigenen Hofladen werden Salami und Schinken der seltenen Rassen vertrieben, Bauern oder Hobbyzüchter dürfen überschüssige Jungtiere kaufen. Laing will Kontakte zu Köchen aufnehmen, um ihnen Braten vom Angelner Sattelschwein oder Moorschnuckennacken schmackhaft zu machen.

Vor allem aber geht es darum, den seltenen Rassen eine Arche, einen Überlebensraum zu bieten. Der Tierpark wurde 1991 gegründet – der Vorbesitzer musste Ende 2003 Insolvenz anmelden. Der Trägerverein „Arche Warder“ sprang ein, kaufte das Land – etwa 30 Hektar – und den Tierbestand. Mitglieder des Vereins sind unter anderem die Gemeinde, der örtliche Tourismusverein und Greenpeace. Greenpeace ist außerdem über seine Umweltstiftung mit dem Park verbunden und hat die Arche als Projekt angenommen. Nach einem Umbau eröffnete der Park im Mai 2003 wieder.

Die Bilanz des ersten Jahres ist nicht schlecht: Rund 58.000 Besucher fanden den Weg nach Warder. Laing träumt davon, dass es in diesem Jahr 80.000 werden, ein Werbeschild an der Autobahn soll Tierfreunde zu einem Stopp verleiten. Aber rentabel würde der Park erst mit etwa doppelt so vielen Besuchern, daher ist die Arche auf die Unterstützung der Greenpeace-Stiftung und Spenden angewiesen.

Weiter rumpelt die Kutsche durch den Park – die beiden vorgespannten Schleswiger Kaltblüter gehören ebenfalls einer seltenen Rasse an. Alt-Oldenburger-Pferde, langhaarige Ziegen, gehörnte Schafe, gefleckte Kühe weiden auf den Wiesen. An derlei Anblicken ist Schleswig-Holstein reich, entsprechend unspektakulär sieht der Park aus: eine Wohltat für Menschen, die Zoos hassen.

Im Schauhaus kommen die Besucher den Tieren ganz nah, wer sich traut, darf im Streichelbereich Felle kraulen. Zurzeit sind dort viele Jungtiere zu sehen, Lämmer, Zicklein, Ferkel. Eine Angelner Sattelsau liegt mit geschlossenen Augen auf der Seite, ein halbes Dutzend Ferkel drängt sich an ihren Zitzen. Nur wenige haben den weißen Streifen, der sie als echte Sattelschweine kennzeichnet und zur Weiterzucht geeignet macht. Die anderen werden vermutlich verwurstet – zum Erhalt der Art.