Alte Seilschaften im bayerischen Kloster

ELITEN Senta Berger und Gerd Anthoff überzeugen im Thriller „Unter Verdacht“ (21.00 Uhr, Arte)

Ein Thriller mit kleinen bösen Spitzen und großen tragischen Verstrickungen

Sie sind das schönste Kontrahentenpaar des deutschen Fernsehens: Während Kriminalrätin Eva Prohacek (Senta Berger) als interne Ermittlerin die dunklen Machenschaften in kommunalen und staatlichen Behörden ausleuchtet, probt ausgerechnet ihr Vorgesetzter Dr. Reiter (Gerd Anthoff) an störenden Kontrollinstanzen vorbei den Aufstieg in der Münchner Amigo-Gesellschaft.

Wie sich Dr. Reiter doch reckt und streckt, um Eindruck bei Bayerns Big Playern zu schinden – und wie ihm die Untergebene immer wieder die Tour vermasselt! Das macht „Unter Verdacht“ zu einer ebenso amüsanten wie aufklärerischen Reihe. In keinem anderen Krimi wird derart kontinuierlich der deutsche Parteien- und Beamtenapparat samt seiner männerbündischen Verbindlichkeiten gezeigt.

Dabei gelingt es Schauspieler Anthoff, der für seine Rolle mit dem Grimmepreis ausgezeichnet wurde, die üblichen Ressentiments über skrupellose Politkarrieristen ins Leere laufen zu lassen. Man weiß oft nicht, ob man diesen Gernegroß streicheln oder ohrfeigen möchte. Wie er sich immer wieder eitel aufbaut, um dann von den wirklich wichtigen Männern um ihn herum erniedrigt zu werden, hat auf jeden Fall etwas Tragikomisches.

Die neue Episode des Gesellschaftskrimis rückt noch mal besonders klug die Widersprüchlichkeit des Aufstiegswilligen in den Vordergrund: Der Schüler eines Klosterinternats wurde ins Koma geschossen – mit Dr. Reiters Dienstpistole. Autor und Regisseur Achim von Borries („England!“) nutzt das Szenario für einen Thriller mit kleinen bösen Spitzen und großen tragischen Verstrickungen.

Gleich zu Anfang sehen wir, wie der verdächtige Dr. Reiter im Verhör von Prohacek und deren dienstbeflissenen Kollegenfreak Langner (ebenfalls durchaus Grimmepreis-verdächtig: Rudolf Krause) in die Zange genommen wird.

Natürlich lässt er den Chef raushängen, weist zischend die durchaus berechtigten Nachfragen seiner Untergebenen als Anmaßung von sich. Er gibt also wieder mal den Boss von eigenen Gnaden: Unverschämtheit, dass es überhaupt jemand wagt, sein Handeln in Frage zu stellen!

Also muss Prohacek das Internat aufsuchen, in dem Bayerns Mächtige ihre Kinder für größere Aufgaben ausbilden lassen. Auch Dr. Reiter war hier zur Schule gegangen – und blieb trotz aller Anstrengungen ein Schüler zweiter Klasse. Es ist eben, gestern wie heute, ein hartes und sortierendes System, das den Schulbetrieb im Kloster am Laufen hält.

Klasse, wie Prohacek mit Zigarette im Mund durch die alte, aber wenig ehrwürdige Lehranstalt flaniert, um von den Schülern das Rauchen verboten zu bekommen: eine ernüchternde Inspektion der rauchfreien und ruchlosen Eliten von morgen. CHRISTIAN BUSS