LESERINNENBRIEFE
:

Und er fühlt sich auch noch geehrt

■ betr.: „Neuer Sonntagsredner im Amt“, taz vom 19. 3. 12

Der Kandidat, der sich noch vor Kurzem gegen einen Christian Wulff (der doch als Flachpfeife schon sicher erkennbar war) nicht durchsetzen konnte, wird heute von denselben Marionetten der Bundesversammlung (es werden ja überwiegend dieselben sein) mit großer Mehrheit gewählt. Und das, obwohl mit Beate Klarsfeld doch eine prominente und überaus attraktive (und weibliche!) Alternative zur Wahl steht.

Was ist von dem Kandidaten zu halten, der das mit sich machen lässt? Und sich auch noch geehrt fühlt? Was ist von dem Kandidaten zu halten, der die Zeit der Designation nicht genutzt hat, um in wesentlichen Punkten deutlich zu machen, dass er für die Interessen der Bürger steht und nicht für die Interessen der herrschenden politischen Klasse?

In wesentlichen Punkten: Kampfeinsatz in Afghanistan, Menschlichkeit im Umgang mit Griechenland, Einhaltung des Europäischen Vertragswerks, Einführung von Mindestlöhnen und Rückführung prekärer Beschäftigungsverhältnisse, Steuererhöhungen für die, die sie leicht stemmen können, Abschaffung der „Schuldenbremse“.

Beschämend deutlich ist geworden, dass die Frage, wer Bundespräsident wird, einem Kalkül unterliegt, das mit Eignung gar nichts zu tun hat. Das Amt ist damit unrettbar beschädigt. Betrieben haben die Schädigung Gabriel, Trittin und Rösler, Merkel und Seehofer; mitgewirkt hat auch Herr Gauck. Wohin soll die Reise gehen? HEIN HOCKER, Hamburg

Konform mit der Kriegslinie

■ betr.: „Ein Hoch auf die Defensive“, taz vom 13. 3. 2012

Auf Ihrer Meinungsseite erschien ein Kommentar Ihrer Journalistin Susanne Knaul. Frau Knaul kommentierte die jüngsten Angriffe Israels auf den Gaza-Streifen. Mal wieder beweist Frau Knaul, dass sie die Kunst der einseitigen Berichterstattung fabelhaft beherrscht und der scheinbare triumphale Siegeszug Israels sie erfreut. Sie hüllt sich in Schweigen darüber, dass Israel das kriegerische Chaos im Gaza-Streifen bewusst durch die außergerichtliche Tötung von zwei Palästinensern herbeigeführt hat. Diese kriminelle Handlung verbieten unter anderem die Genfer Konventionen.

Vier Tage flog Israel 37 Luftangriffe auf zivile Einrichtungen, tötete 26 Personen und verletzte über 70 Menschen. Darunter waren Kinder, Frauen und alte Männer. Das ist das Ergebnis der von Frau Knaul beschriebenen ausgewogenen defensiven Strategie Israels. Man fragt sich, wie ein vernunftbezogener Mensch die israelische Verteidigung als eine bedachte und mit Rücksicht auf andere geprägte Handlung ansehen kann.

Natürlich, es ist nicht auszudenken, was die Folge wäre, würden Raketen aus dem Gaza-Streifen israelische Städte treffen. Susanne Knaul braucht in dieser Hinsicht ihrer Fantasie keinen freien Lauf zu lassen. Eine Reise in den Gaza-Streifen genügt, um zu erkennen, was Raketen und Bomben bewirken.

Erschreckender ist es, dass Frau Knaul konform mit der israelischen Kriegslinie geht, kriegstreibende Polemik betreibt und Leid und Zerstörung als eine rücksichtsvolle Handlung ansieht. Erschreckend ist auch, dass sie Investitionen in das Militär präferiert und damit im Umkehrschluss Investitionen in den Frieden ablehnt. Nicht nur der Pressekodex, wie die Normen journalistischer Fairness und die Sorgfaltspflicht, sind Pflichtprogramm im Journalismus, sondern auch die Ethik ist ein integraler Teil dessen. SALAH ABDEL SHAFI Botschafter, Leiter der Diplomatischen Mission Palästinas, Berlin

Das freut die Stalinisten

■ betr.: „Der Rückfall“, taz vom 17./18. 3. 12

Gauck als Holocaust Relativierer? Ihr Autor Efraim Zuroff sieht als „historische Wahrheit“ an, dass die Opfer des Holocaust allein aufgrund ihrer Herkunft, die Opfer des Stalinismus dagegen „primär auf Grundlage ökonomischer und politischer Faktoren identifiziert wurden“. Die behauptete Austauschbarkeit beider Phänomene „erhöht die kommunistischen Verbrechen in ihrer tatsächlichen historischen Bedeutung“. Die Stalinisten wird das freuen, relativiert es doch das sowjetische Terrorregime. Zuroffs Wahrheitsbegriff besteht aus einer Bewertung. Wer ihr nicht folgt, macht sich der historischen Lüge schuldig. Unsäglich! INGO HEBERLEIN, Eutin

Schwarz sein, weiß sein

■ betr.: „Ein Akzent wie ein Pflasterstein“, taz vom 15. 3. 12

Als Jugendliche/junge Erwachsene lebte ich noch in der Stadt – und ging gern und oft ins Theater. Eines meiner eindrücklichsten Erlebnisse war eine Aufführung von Biedermann und die Brandstifter – nicht wegen des Stückes, sondern wegen des Brandstifters. Der Ringer wurde gespielt von einer Schauspielerin mit einer Mähne bis zu den Oberschenkeln – und das so überzeugend, dass ich danach das Gefühl hatte, ohne solch eine Mähne könne kein solcher Türstehertyp auskommen.

Klar könnten Julia oder Gretchen von seiner Schwarzen gespielt werden. Theater ist, wenn ein Weißer den Othello spielt – überzeugend und ohne Schminke. Farbe im Gesicht ist keine Kunst. Kann es natürlich in anderem Zusammenhang durchaus sein – aber schwarz sein/weiß sein ist etwas anderes als die Farbe der Haut. Gerade, wenn im Theater weiße Rollen von Schwarzen gespielt werden oder umgekehrt, kann das deutlich werden. ANDREA SCHULTZ-WILD, Kommern