Showdown ohne Publikum

WDR und ZDF mussten das TV-Duell zwischen Steinbrück und Rüttgers in Bochum aufzeichnen – weil Rüttgers mit Ex-Kanzler Kohl feiern wollte. Vielen Menschen war die Diskussion ziemlich egal

VON ANDREAS WYPUTTA
UND BORIS R. ROSENKRANZ

Punkt 17 Uhr begann der Showdown zwischen Steinbrück und Rüttgers in einer menschenleeren Jahrhunderthalle. Und auf dem Bildschirm gab‘s beim WDR „daheim & unterwegs“. Selbst die eigenen Berater und Pressesprecher durften das Fernsehduell zwischen dem SPD-Ministerpräsidenten und seinem CDU-Herausforderer nur in einem Nebenraum am Bildschirm verfolgen. „Gespenstisch“ sei die Szene in der Bochumer Industriekathedrale gewesen, sagte ein Vertrauter des Regierungschefs: „Diese riesige Halle, und in der Mitte nur Steinbrück, Rüttgers und die beiden Moderatoren Maybrit Illner und Jörg Schönenborn.“ Nicht mal eine Studiodekoration habe es gegeben, klagt der Mann.

Und warum das alles? Wegen Kohl. Ganz dienstbeflissener Ex-Minister, musste Nordrhein-Westfalens Oppositionsführer seinen Ex-Kabinettschef Helmut Kohl feiern. Finanziert von Kohl-Anwalt und WAZ-Miteigner Stephan Holthoff-Pförtner hatte das CDU-nahe „Politische Forum Ruhr“ aus Anlass des 75. Geburtstags Kohls zu einem Symposium gebeten. Zu Ehren des Auslösers des CDU-Parteispendenskandals wurde in Essen ausgerechnet zum Thema „Der Verfassungsauftrag zur Wiedervereinigung und europäischen Integration“ referiert.

Während also Rüttgers in Essen dienerte, ließ es Steinbrück lockerer angehen. „Der Ministerpräsident entspannt heute Abend ein wenig“, so sein Sprecher. Mehr Stress hatten dagegen Steinbrücks Mitarbeiter: Sie rasten nach Düsseldorf, wo der WDR im Landtag zu einer Vorab-Vorführung des Duells geladen hatte. Die aber scheiterte an der Technik des SPD-Fraktionssaals. Wenig begeistert, dafür aber mit Laptops, Kameras und Stativen schwer bepackt, mussten die Journalisten zur CDU umziehen. „Wechselstimmung“, unkten nicht wenige angesichts des gekreuzigten Christus an der Wand.

Rüttgers gegen Steinbrück also. Im Haus Meyer, einer Eckkneipe am Rande der Bochumer Innenstadt, bleibt der Fernseher trotzdem aus. TV-Duell? Grimmige Gesichter. „Müssen wir uns das angucken? Die lügen uns doch die Hucke voll“, sagt eine Frau, Anfang 50, und umklammert ihr Bier. Als sie sich gerade echauffiert, dass beim Duell in der benachbarten Jahrhunderthalle keine Zuschauer zugelassen waren, ächzt ihr ein anderer Gast ins Wort: „Am Sonntag gibts eh nur Gewinner!“ Die Parteien würden das schon irgendwie so hinbiegen.

Im Bochumer Kneipenviertel Bermuda-Dreieck wird derweil ferngesehen – nur nicht das TV-Duell. Im „360“, einem amerikanischen Szene-Laden, läuft NBA-Basketball. Das funktioniere auch ohne Ton, erklärt der Thekenchef. Schräg gegenüber, in einer niederländischen Pommesbude, schaut die Pommesfachverkäuferin gebannt „Sex and the City“. „Da kommt mir nichts dazwischen“, sagt die 18-Jährige, „das guck‘ ich jeden Dienstag“. Und im Freibeuter, der selbst ernannten Kneipe für „Musik-, Hafen- und Fußballkultur“ bleibt die politische Kultur außen vor. Bis Sonntag jedenfalls: Dann will Wirt Jens Feddersen zumindest die Hochrechnungen zeigen. Auch mit Ton.

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