Wählen in der Black Box

WAHLCOMPUTER Der Druck, maschinell wählen zu lassen, nimmt zu. Doch noch sind alle technischen Systeme zu unsicher. Aber auch analoges Wählen ist nicht ohne Probleme

Sichere Wahlcomputer sind möglich, sagt die Expertin, aber nicht zu einem Preis, den Kommunen zahlen können

von Jan Zier

In diesem Jahr wird der Bundestag nochmal ganz traditionell gewählt, mit Papier und Kugelschreiber. Beim letzten Mal war das schon anders. Da gaben zwei Millionen WählerInnen ihre Stimme am Computer ab. Das aber hat das Bundesverfassungsgericht im März diesen Jahres verboten. „Doch der Druck wird wieder zunehmen“, sagte Karl Schlichting, Wahlbereichsleiter beim Statistischen Landesamt bei einer Anhörung der SPD in der Bürgerschaft.

Schließlich haben auch die Karlsruher RichterInnen den Einsatz von Wahlmaschinen nicht völlig abgelehnt. BürgerInnen müssen ohne vertiefte Sachkenntnis prüfen können, ob ihre Stimme korrekt erfasst wurde. Programmierfehler oder gezielte Manipulation von Software seien aber nur schwer zu erkennen, stellten die Richter fest. Es genüge nicht, wenn lediglich das Ergebnis eines Rechenprozesses zur Kenntnis genommen werden könne. Die Entscheidung solle aber nicht verleiten zu meinen, das Verfassungsgericht sei technikfeindlich und verkenne die Möglichkeiten des digitalen Zeitalters.

Der Computer, sagt Constanze Kurz vom Chaos Computer Club, „ist eine Black Box“ – der man blind vertrauen müsse. Aber nicht kann: Eine Studie im Auftrag der Regierung des US-Bundesstaats Kalifornien, für die 2008 drei Hersteller untersucht wurden, stellte allen Geräten ein vernichtendes Zeugnis aus. Bei der letzten US-Präsidentenwahl gingen sogar elektronisch abgegebene Stimmen verloren. In Deutschland waren 2005 Computer aus den Niederlanden in fünf Bundesländern im Einsatz.

Die analoge Wahl ist beileibe „kein goldener Standard“, sagt der Politikwissenschaftler Christopher Harth von der Uni Gießen. Bei der letzten Europawahl hat in Bremen fast ein Drittel der WählerInnen briefgewählt. „Das öffnet Eingriffsmöglichkeiten Tür und Tor“, sagt Schlichting. Und mitunter kämen Briefwahlstimmen auch zu spät.

Zudem wird die Papierwahl zunehmend teurer. Die Bundestagswahl 2002 kostete den Bund 62, die von 2005 schon 72 Millionen Euro. Rechnet man die Kosten in den Kommunen hinzu, kommt man für die letzte Wahl auf 140 Millionen Euro. Digitalisierte Wahlen versprechen langfristig kostengünstiger zu sein. Auch Optionen wie kumulieren und panschieren – also das Häufeln von Stimmen oder das Verteilen derselben auf mehrere Listen – wäre dann leichter und fehlerfreier zu bewerkstelligen. Und das Wahlergebnis läge auch schneller vor. Deswegen, sagt Schlichting, sind Computer für die Politiker „attraktiv“. Einige Kommunen haben sich auch schon solche Geräte angeschafft, in einer „gewissen Naivität“, wie Schlichting sagt. Auch Hamburg hat das schon ernsthaft erwogen.

Insgesamt hat das Bundesverfassungsgericht drei digitale Optionen eröffnet: Eine mit einem digitalen Wahlstift. Eine, bei welcher der Computer mit einem Drucker kombiniert wird. Und eine, bei der Wahlzettel eingescannt und dann elektronisch gezählt werden. Besonders die letzten beiden Varianten heben aber den Vorteil der digitalen Technik wieder auf. Derzeit werde der Neueinsatz solcher Geräte „künstlich hinausgezögert“, sagt Harth.

Alle Wahlcomputer sind schon gehackt worden, so Kurz, und abstrahlsicher seien sie auch nicht, mit Hilfe von externen Antennen also zu manipulieren. Ihr Fazit: Sichere Wahlcomputer sind möglich, aber nicht zu einem Preis, den Kommunen bezahlen können. Zudem gehe mit ihnen das demokratische Recht der Wahlbeobachtung verloren.

Dass sich mit Computern die Wahlbeteiligung erhöhen lässt, hält Schlichting für abwegig: „Das hat keinerlei Einfluss.“