Beziehung als Gefängnis

Jorinde Dröse, seit Jahren gefragte Jungregisseurin, inszeniert Fontanes „Effi Briest“ am Thalia

von Carolin Ströbele

Jorinde Dröse hat ein klares Gesicht. Die Haare sind nach hinten gebunden und lassen den Blick frei auf die alles beherrschenden grünen Augen. Ihr Blick ist direkt und wenn sie spricht, hat man manchmal das Gefühl, als richte sie sich an ein großes Publikum.

Ursprünglich habe sie ja auch Schauspielerin werden wollen, erzählt die 29-Jährige. Daher verstehe sie auch, wie sich die Darsteller fühlen, denen sie nun als Regisseurin Anweisungen gibt: „Ich weiß um die Position des Ausgeliefertseins auf der Bühne“, sagt sie. „Wie schutzbedürftig man ist – auch während des Probenprozesses.“

Am Anfang habe sie selbst noch viel vorgespielt, erzählt sie. „Mittlerweile sitze ich aber nur noch da und versuche zu beschreiben.“ Wie viele Stücke sie inzwischen inszeniert hat, kann sie gar nicht sagen: „So zwischen 13 und 15 werden es wohl sein.“ Dröse hospitierte bei Andreas Kriegenburg in München, studierte Regie in Hamburg und hat seitdem „nie wieder eine Bewerbung geschrieben“.

Bei ihr klingen solche Sätze nicht arrogant. Vielleicht deshalb, weil Dröse so gelassen mit ihrem Erfolg umgeht. Obwohl sie allein im letzten Jahr fünf Stücke in vier Städten inszeniert hat, wirkt sie nicht wie jemand, den es ehrgeizig von Projekt zu Projekt treibt. Es scheint eher, als sei sie ein Mensch, dem die Dinge manchmal einfach passieren. Sie sei „Spezialistin für Glück und Elend der Pubertät“, wurde über Dröse geschrieben – dafür sprechen zumindest die Stücke, die sie in Hamburg inszeniert hat: Andri Beyelers The Killer in you is the killer in me, Die sexuellen Neurosen unserer Eltern von Lukas Bärfuss und Karen Duves Dies ist kein Liebeslied.

Und nun der Klassiker Effi Briest auf der großen Bühne des Thalia – hat sie da nicht ein bisschen Angst? „Ich habe gedacht, dass sich der spielerische Umgang, den ich in meinen Inszenierungen habe, auf die große Bühne übertragen lässt“, sagt sie. „Das ist aber nicht so. Man muss viel klarer sein und viel mehr Form haben.“ Wenn man sie fragt, ob sie eher analytisch arbeitet oder aus dem Bauch heraus, meint sie zunächst: „Eine Mischung aus beidem.“ Aber wenn sie beschreibt, wie sie an einen Stoff herangeht, merkt man schnell, wohin sie tendiert: „Die erste Frage bei einem Stück lautet für mich: Interessiert mich das emotional?“ Bei Effi Briest berührte sie, „dass sie so jung ist und mit einem großen Wollen in diese Ehe geht. Sie lebt erst mal die Beziehungsbilder ihrer Eltern, bis sie merkt, dass sie sich selbst verleugnet.“ Auch sie selbst, sagt Dröse, habe mit 17 zunächst die Vorstellungen ihrer Eltern übernommen. „Ich habe geglaubt, dass man immer zusammen ist, dass man einen Partner fürs Leben findet, wenn man noch ganz jung ist. Das hat sich bei mir erst relativiert, als ich 20 war und eigene Erfahrungen gemacht habe.“

Ihre Eltern, die sie nach ihrem Lieblingsmärchen Jorinde und Joringel benannt haben, beschreibt Dröse als sehr liberal. „Ich war früh mit meinen Eltern auf allen möglichen Demos und auch selbst mit 13, 14 sehr politisch.“ Mittlerweile sei dies viel schwerer geworden: „Es gibt keine klaren Gegner und keine einfachen Antworten mehr. Deswegen wird es für mich auch schwer, das auf der Bühne zu zeigen. Daher stelle ich lieber menschliche Gefühle dar, weil ich mich damit besser auskenne.“

Und so will sie sich auch in der Effi auf die Verhaltensweisen der Menschen konzentrieren. „Wie man Beziehungen als Gefängnis empfinden kann und da nicht rauskommt“, dieser Aspekt macht in ihren Augen Fontanes Ehebruchdrama aus dem Jahr 1896 auch heute noch aktuell. „Ich kenne das – wenn man sich in einer Beziehung gefangen fühlt, sucht man nicht nach Möglichkeiten, wie man sich selber befreien kann, sondern immer das „Außen“. Das heißt, man verknallt sich oder stürzt sich in One-Night- Stands.“

Premiere: Sa, 21.5., 20 Uhr, Thalia