WOHNEN: ERZÄHLUNGEN ÜBER EIGENBEDARF MÜSSEN PLAUSIBEL SEIN
: Hohe Richter für schlaue Vermieter

Im Mietrecht sind differenzierte Lösungen meist die besten. Mieter sind davor zu schützen, dass ihnen willkürlich der Lebensmittelpunkt entzogen wird – aber ein Vermieter soll auch nicht das Gefühl haben, dass er die Wohnung nur als Geldanlage nutzen kann. Deshalb sieht das Bürgerliche Gesetzbuch die Möglichkeit vor, dass der Vermieter dem Mieter wegen Eigenbedarfs kündigen kann.

Doch mit diesem Kompromiss entstehen neue Streitfragen. Was zum Beispiel passiert, wenn der Vermieter zwar Eigenbedarf anmeldet, dann aber gar nicht selbst einzieht, sondern die Wohnung neu vermietet? Eine Konstellation, die nach Angaben des Deutschen Mieterbundes relativ häufig vorkommt. Die Lösung, die der Bundesgerichtshof (BGH) jetzt gefunden hat, ist ebenfalls differenziert: Der frühere Mieter kann in solchen Fällen zwar Schadenersatz verlangen, aber er muss beweisen, dass die Geschichte mit dem Eigenbedarf nur ein Trick war, um kündigen zu können.

Damit ist zumindest eine Grundregel des Zivilrechts gewahrt: Wer einen Anspruch geltend macht, muss dessen Voraussetzungen beweisen. Für unseren Fall heißt das: Wer Schadenersatz haben will, muss beweisen, dass der Vermieter das Mietrecht umgangen hat. Im Ergebnis ist das für Mieter aber gar nicht so einfach. Sie haben ja meist keinen Einblick in die Lebensverhältnisse des Vermieters und in dessen Kopf schon gar nicht. Für einen „Bedarf“ genügt ja bereits das bloße Wollen, eine offensichtliche Zwangslage ist nicht erforderlich.

Als Erleichterung für die Mieter hat der BGH dem Vermieter nun immerhin auferlegt, eine plausible Geschichte zu erzählen. Wie entstand der Eigenbedarf, und warum ist er nach dem Auszug der Vormieter doch wieder weggefallen? Nur wenn dem Vermieter ein stringenter Vortrag gelingt, muss der Mieter beweisen, dass das alles erfunden ist. Diese Lösung ist zwar noch differenziert genug, um sie nicht völlig ungerecht zu finden, aber sie erleichtert jedem halbwegs intelligenten Vermieter die Tricksereien und ist damit doch nicht ausgewogen. CHRISTIAN RATH