Ägyptens Demokratie gerät ins Stocken

Die ägyptische Opposition will das Verfassungsreferendum aus Protest gegen die Wahlbestimmungen boykottieren. Gleichzeitig revoltieren die Richter, und die USA fordern internationale Boebachter bei den Präsidentschaftswahlen im Herbst

AUS KAIRO KARIM EL-GAWHARY

Die ägyptische Regierung gerät zu Hause und international immer stärker unter Druck. Der Versuch von Präsident Husni Mubarak, das Land politisch zu verändern, ohne seine Regierung wegzureformieren, wird von allen Seiten als nicht ausreichend kritisiert.

Zunächst hatte ganz Ägypten aufgehorcht, als Mubarak im Februar verkündete, dass es bei den Präsidentschaftswahlen im Herbst erstmals mehrere Kandidaten geben werde. Doch inzwischen ist der erste Enthusiasmus einer gehörigen Portion Skepsis gewichen – besonders nachdem das Parlament vergangene Woche die genauen Details der entsprechenden Verfassungsänderung abgesegnet hatte. De facto fällt es danach der Regierungspartei zu, sowohl Husni Mubarak selbst als auch die Präsidentschaftskandidaten der Opposition im Vorfeld abzusegnen.

Die Opposition protestierte umgehend. Nun haben die großen Oppositionsparteien, die linke Tagamua, die liberale Wafd, die Nasseristen und die Muslimbruderschaft angekündigt, ein Referendum zu dieser Verfassungsänderung am 25. Mai zu boykottieren. „Wir wollen der Regierung nicht als Dekoration dienen“, erklärte der Wafd-Generalsekretär Noaman Gumaa nach der Veröffentlichung eines gemeinsamen Boykottaufrufs. In einer ersten Reaktion auf den Aufruf nahm die ägyptische Polizei landesweit 52 Mitglieder der offiziell verbotenen Muslimbrüder fest.

Inzwischen revoltieren auch die Richter. Mehr als 2.000 trafen sich vergangenen Freitag im „Richterclub“ in Kairo und erklärten, dass sie die Wahlen nicht mehr überwachen werden. Bei den letzten Parlamentswahlen saß jeweils ein Richter im Wahllokal, um den korrekten Ablauf zu kontrollieren, während draußen Polizisten in Zivil die Anhänger der Opposition nicht reinließen, die Busse mit den Anhängern der Regierungspartei aber durchwinkten. Die Richter fordern jetzt, die vollständige Überwachung der Wahlen auf sie zu übertragen, von der Erstellung der Wählerlisten, am Wahltag vor und im Wahllokal, bis zur Verlesung des Ergebnisses. Dass eine ganze staatliche Institution der Regierung Mubarak die Gefolgschaft verweigert, ist ein bisher einzigartiger Vorgang im Land am Nil.

Das Treffen der Richter hätte eigentlich von dem Fernsehsender al-Dschasira übertragen werden sollen, doch das achtköpfige Team wurde zuvor festgenommen und sieben Stunden vom Geheimdienst festgehalten. Als Grund sei angegeben worden, man wollte die Übertragung verhindern, erklärte Samir Omar, der Kairo-Korrespondent von al-Dschasira.

Auch international wird die Schraube angezogen. US-Präsident George W. Bush hatte diesen Monat bei einer Rede im lettischen Riga gefordert, dass die ägyptische Regierung bei den Wahlen im Herbst internationale Beobachter zulassen solle. Bisher hatte die Regierung in Kairo ein solches Verlangen als Einmischung in die inneren Angelegenheiten stets abgelehnt. Gestern erklärte Ministerpräsident Ahmed Nasif nach einem Treffen mit US-Außenministerin Condolezza Rice erstmals, man werde sich die Angelegenheit durch den Kopf gehen lassen.