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„Over Your Cities Grass Will Grow“ Frankreich/Niederlande/Großbritannien 2010, R: Sophie Fiennes

Aus kniender Haltung sollte kein Dokumentarfilm gemacht werden. Auch nicht, wenn der Protagonist als einer der bedeutendsten Künstler unserer Zeit gilt. Doch Sophie Fiennes nähert sich Anselm Kiefer und seinem Werk so ehrfurchtsvoll, dass sie eher ihre Schwärmerei für seine Kunst als diese selber dokumentiert. So lässt sie die Kamera zu weihevoller Neuer Musik am Anfang des Films durch von Kiefer geschaffene Räume voller Erde, Stein, Asche und Beton schwelgen. Jeder Krümel wird zelebriert, alles ist in düsteren Schwarz-Braun-Grautönen gehalten und die Bilder schreien ständig „Kunst, Kunst, Kunst“, sodass einem die Lust am Hinsehen schnell vergeht.

Dabei wird hier ein fantastisches Gesamtkunstwerk vorgestellt. Seit 1993 hat sich Anselm Kiefer in einer riesigen ehemaligen Seidenfabrik in Südfrankreich eine Ruinenstadt erbaut. Die 35 Hektar von „La ribaute“ sind ein apokalyptischer Erlebnis-Park. Riesige Kellergewölbe wurden ausgehoben, Häuser kunstvoll zerstört und Betonkuben zu Türmen aufeinandergestellt. Sophie Fiennes, Schwester der Schauspieler Ralph und Joseph, nähert sich diesem gigantomanischen Werk mit einer irritierenden Mischung aus Distanz und Verehrung. Fast scheint es so, als habe sie sich nicht getraut, dem Künstler mit ihrer Kamera näherzutreten. Diese wird auch nie, wenn auch nur mit einem Blick zur Kenntnis genommen. Sie hält sich immer in gebührender Entfernung, wenn etwa Kiefers Assistenten mit Bohrern, Baggern und Kränen hantieren, um die Endzeit-Visionen des Künstlers aus der Landschaft zu formen.

In diesen Sequenzen, die Kiefer und sein Team als Handwerker zeigen, gelingen Fiennes ein paar interessante und schöne Einstellungen. So etwa jene, in der ein riesiges, noch feuchtes Ölgemälde zuerst mit Erde bedeckt und dann mit einem Kran aufgerichtet wird. Die Erde rieselt zuerst zögerlich und nach einem „jetzt kräftig schütteln“ in einem großen braunen Schauer von der Leinwand und enthüllt wie ein fallender Vorhang das Bild eines großen, düsteren Waldes.

Fiennes verzichtet völlig auf einen Kommentar oder eigene Interview-Szenen. Stattdessen filmte sie zwei Gespräche von Kiefer mit dem Schriftsteller Klaus Dermutz, bei denen dieser sich als sichtlich eingeschüchterter Stichwortgeber entpuppte und Anselm Kiefer klug und poetisch über den „Popanz der Schönheit“ monologisierte. Da wäre ein genaueres und prosaisches Nachfragen (etwa danach, was das alles kostet und wie es finanziert wird) dringend nötig gewesen. Wie man als Filmemacherin mit einem Überkünstler umgehen und in dessen Werkstatt trotz spürbarer Verehrung die eigene Position behaupten kann, hat vor Kurzem Corinna Belz mit „Gerhard Richter Painting“ gezeigt. Über diesen Film wird dagegen schnell das Gras wachsen.

„Over Your Cities Grass Will Grow“ läuft Do, Fr & Di um 20.30 Uhr und Sa, So, Mo & Di um 18 Uhr im City 46, Birkenstr. 1 , Bremen