Der trojanische Minister

SPÄH-PROGRAMME Niedersachsens Innenminister erklärt dem Landtag, wie oft das Land Software für sich schnüffeln ließ. Der Linksfraktion reichen seine Auskünfte nicht

Über den Einsatz von Spionagesoftware durch niedersächsische Ermittlungsbehörden hat der Landtag in Hannover gestern heftig gestritten. Einen „Beweis völliger Ahnungslosigkeit“ nannte Linksfraktionschefin Kreszentia Flauger die Auskünfte, die Innenminister Uwe Schünemann (CDU) dem Parlament auf eine Anfrage der Linken hin erteilte hatte.

Drei Mal wurde Späh-Software durch seine Staatsanwaltschaften genutzt, führt Schünemann in seiner Antwort an. Wie oft so genannte „Trojaner“ in Niedersachsen genau genutzt wurden, geht daraus allerdings nicht hervor: Nichts nämlich äußerte der Minister zur Frage, wie oft der Verfassungsschutz auf Computern Verdächtiger heimlich Software zur so genannten Quellen-TKÜ – der Überwachung von Internet-Telefonaten – installiert. Flauger zufolge wird die Linksfraktion heute Anzeige gegen Schünemann erstatten. – schließlich sei der Einsatz dieser Programme illegal.

Denn die Software kann mehr als bloß Telefonate überwachen: Vergangenes Jahr deckte der Chaos-Computer-Club auf, dass im Land Bayern ein Trojaner des Herstellers Digitask im Einsatz war, der auch Bildschirme abfotografieren oder gefälschte Beweise auf die Rechner der Überwachten kopieren kann. Erlaubt ist das laut einem Grundsatzurteil des Bundesverfassungsgerichts zu Online-Durchsuchungen nicht.

Auch das Land Niedersachsen ist Digitask-Kunde. Man habe den Trojaner aber ausschließlich eingesetzt, um Internet-Telefonate zu überwachen, erklärte Schünemann jetzt. Und dass das Programm zu mehr auch gar nicht in der Lage sei. Dass der Minister das einschätzen kann, bezweifeln allerdings neben der Linken auch Grüne und SPD: Den Quellcode, aus dem sich die Funktionen des Programms ablesen ließen, hält Digitask geheim – als „Betriebsgeheimnis“.

Schünemann sieht die Verwendung des Trojaners dennoch legitimiert: „Was wir machen, ist nicht nur verantwortbar, sondern geboten.“ Die Einsätze seien stets mit richterlichen Beschlüssen abgesichert gewesen, dem Software-Hersteller habe man strenge Vorgaben zu den Funktionen der Software gemacht.

Die Rückfrage des Grünen-Abgeordneten Helge Limburg, woher er das Vertrauen nehme, dass sich die Firma an diese Vorgaben halte, ließ Schünemann gestern offen.  THA