„Ich bin Rechtsstaatsminister“

NRW-Innenminister Fritz Behrens (SPD) über Gemeinsamkeiten mit seinem bayrischen Kollege Günther Beckstein, Mitleid mit abgeschobenen Flüchtlingen und über Biertrinken mit NPDlern

INTERVIEW: LUTZ DEBUS
und NATALIE WIESMANN

taz: Wer ist Ihnen fremder, Bayerns Innenminister Günther Beckstein von der CSU oder ein afrikanischer Bootsflüchtling?Fritz Behrens: Fremder ist mir der afrikanische Bootsflüchtling. Den Kollegen Beckstein kenne ich schon lange durch die Innenministerkonferenz. Wir sind beide Synodale bei der evangelischen Kirche, was man dem Beckstein nicht sofort ansieht. Es prägt seine Position aber schon.

Auch in der Flüchtlingspolitik stehen Sie dem Hardliner Beckstein näher. Der innenpolitischen Sprecher der Bundes-SPD, Dieter Wiefelspütz, wirft Ihnen vor, das Zuwanderungsgesetz zu strikt auszulegen.

Der Wunsch an das Zuwanderungsgesetz, die Kettenduldung (siehe Kasten) abzuschaffen, ist nicht in Erfüllung gegangen. Entweder ändert man das Gesetz oder man muss eine Altfallregelung durchsetzen. Letzteres werde ich bei der nächsten Innenministerkonferenz vorschlagen.

Es gibt Spielräume: Rheinland-Pfalz legt das Zuwanderungsgesetz weniger strikt aus.

Rheinland-Pfalz verhält sich an dieser Stelle gesetzeswidrig. Das ist ihm auch durch das Bundesinnenministerium bescheinigt worden. Ich bin Rechtsstaatsminister. Es gibt nicht die Möglichkeit, den Gesetzgeberwillen durch eine rechtswidrige Interpretation zu beugen.

Ihr Ministerium hat potenzielle Doppelstaatler per Brief aufgefordert, ihren deutschen Pass abzugeben. Haben Sie Sorge, dass Sie jemand mit einem Doppelpass wählt?

Das kann ich nicht ausschließen. Wir haben jedenfalls alles rechtlich mögliche getan, um dies zu verhindern.

Sie haben nur die türkischstämmige Wählerschaft angeschrieben.

Die Türken haben Verständnis, wenn man es ihnen erklärt. Wir haben eine offizielle Auskunft aus der Türkei, dass in Deutschland 50.000 Türken mit deutschem Pass auch wieder einen türkischen Pass angenommen haben. Nur wegen dieses konkreten Hinweises dürfen wir die Betroffenen um Auskunft bitten.

Trotzdem sind viele Deutschtürken verärgert.

Ich kann nicht einfach was machen für die gute Stimmung. Ich kann doch nicht 18 Millionen Bürger in NRW fragen, ob sie in der Zwischenzeit einen Doppelpass angenommen haben.

Nein, aber zum Beispiel Aussiedler.

Warum Aussiedler?

Weil da die Wahrscheinlichkeit einer Doppelstaatigkeit genauso groß ist wie bei den Türken.

Aber uns fehlt die Rechtsgrundlage, um von diesen eine Auskunft zu verlangen. Wir haben eben bei den Spätaussiedlern keine Hinweise, die konkret genug sind. Hätt‘ ich die auch noch verärgern sollen? Wer hat sich denn nach deutschem Recht nicht richtig verhalten? Doch nicht wir. Sondern der türkische Staat, der seine Bürger aufgefordert hat: „Kommt, nehmt es nicht so genau.“ Ich hab mir nichts vorzuwerfen.

Die Betroffenen müssen wieder bei Null anfangen.

Eine wirklich schlimme Situation für die, die gutgläubig waren. Und das unterstelle ich den meisten.

Können Sie einen Türken, der streng gläubiger Mohammedaner ist, verstehen?

Selbstverständlich. Ich bin ein gläubiger Christ. Aber ich komme viel rum in der Welt. Zuletzt war ich in Japan, dienstlich. Man trifft da auf völlig andere Gedankenwelten. Ich nehme an, dass, wenn ich dort geboren wäre, ich jetzt nicht Christ wäre.

Haben Sie einmal ein Bier mit einem „Republikaner“ oder NPDler getrunken?

Nein, nicht wissentlich. In Wahlkämpfen komme ich schon mal mit Menschen in Kontakt, bei denen man sich nach dem dritten Satz fragt: „Holla, was ist das für einer.“ Aber mit organisierten Rechten habe ich wissentlich kein Gespräch geführt. Qua Amt haben wir Kontakt zu Rechtsextremen. Wir sitzen mit V-Leuten in Organisationen und ich bekomme darüber Berichte.

Auf Ihrem Wahlplakat steht: Minister, Macher, Mensch. Muss der Minister Fritz Behrens Sachen machen, die der Mensch Fritz Behrens nicht machen würde?

Ja. Aber ich bin hier für die Einhaltung von Recht und Gesetz zuständig. Manchmal muss ich Sachen exekutieren, die ich aus humanitären Gründen gern vermeiden würde. Abgeschobene Menschen tun mir Leid.

Werden Sie bei einem Wahlsieg weiter Innenminister sein?

Ich will Innenminister bleiben.

Und was machen Sie dann als Erstes?

Die Altfallregelung muss her. Die Innenministerkonferenz ist Ende Juni. Wenn aber ein Innenminister eines anderen politischen Lagers hier sitzt, dann wird es einen Antrag auf eine Altfallregelung nicht geben. Und das würde ich sehr bedauern.