Im Sinne der Zukunft

Wie renoviert man das gute alte Theater von oben? Markus Müller geht kommendes Jahr an das Staatstheater nach Oldenburg und wird dort der voraussichtlich jüngste Intendant der Republik

Markus Müller, 32, tritt ab Herbst 2006 die Nachfolge von Intendant Rainer Mennicken am Oldenburgischen Staatstheater an und wird mit dann 33 Jahren voraussichtlich der jüngste Theaterintendant in Deutschland sein. Der gebürtige Allgäuer ist derzeit stellvertretender Generalintendant am Nationaltheater Mannheim. Bis 1997 war Müller als Regisseur, Schauspieler und Öffentlichkeitsarbeiter im E.T.A. Hoffmann Theater in Bamberg tätig, nachdem er in Bamberg BWL, Theaterwissenschaften und Germanistik studiert hatte.

taz: Herr Müller, hat das Theater ein Imageproblem bei jungen Menschen?

Markus Müller: Theater ist als Institution immer etwas, das schon da ist, das man eher mit Traditionen verbindet. Was nicht zwangsläufig dazu führt, dass junge Menschen da jetzt von alleine reinstürmen. Deswegen ist mein Anspruch, dass wir im Sinne unserer eigenen Zukunftssicherung versuchen, das junge Publikum zu gewinnen.

Wie wollen Sie das schaffen?

Das ist ein mehrstufiges Programm, das mir da vorschwebt. Ich habe in Mannheim ein Projekt mitbetreut, das beinhaltet, dass alle Schüler der 5. bis zur 8. Klassen je zweimal im Jahr ins Theater kommen – nach vier Jahren also achtmal im Theater waren und so Schwellenängste gar nicht mehr aufkommen können. Eine andere Schiene ist eine systematische Qualifizierung des Publikums, also: wirklich gute Stücke für Kinder auf den Plan zu nehmen und so heranzugehen, dass für die Kids ein Erkenntnisgewinn entsteht. Qualifizierung heißt aber auch, dass man qualifiziert durch das Selber-Machen. Das bedeutet, den theaterpädagogischen Aspekt stärker in den Mittelpunkt zu stellen.

Wie ist es im Bereich der Inszenierungen für Erwachsene: Braucht man Pop im Theater?

Das Theater muss aus dem Elfenbeinturm herausgehen, sich öffnen und durch Kooperationen in die jeweilige Stadt hineinwirken, sich vernetzen mit anderen Institutionen und zum kreativen Zentrum werden. Dass da natürlich auch Pop eine Rolle spielen kann, halte ich für durchaus nötig. Wichtig ist, dass es inhaltlich Sinn macht. Nur um der Äußerlichkeiten Willen interessiert mich das nicht.

Jetzt gibt es aber auch Leute wie Peter Stein, die sagen: Das Theater ist der Ort, an dem man sich auseinander setzen muss mit anspruchsvollen Texten und man würde die Qualität des Theaters preisgeben, wenn man da die Hürden heruntersetzt. Sehen Sie diese Gefahr auch?

Im Theater müssen sich die Facetten des Lebens widerspiegeln und jede Inszenierung muss mit der Gegenwart zu tun haben und es muss die Chance geben, dass man die Vergangenheit als lebendigen Teil unseres Alltags begreift. Da dürfen wir auf keinen Fall sagen, wir setzten die Schwelle herunter, indem wir den vordergründigen Publikumsgeschmack bedienen.

Aber die Theaterleute haben geradezu die Verpflichtung, den Zugang zu erleichtern. Sie müssen im Bereich Marketing präsent sein und Inszenierungsansätze durch Einführungen und Nachgespräche vermitteln.

Zu hören ist, dass eine Sparrunde droht im Theaterbereich. Müssen Sie mit dem Ministerium für Wissenschaft und Kultur verhandeln, wie es finanziell weitergeht?

Ich habe den Minister bisher als verlässlichen Partner erlebt. Ich denke nicht, dass der Vorschlag kommt, die Budgets nach unten zu fahren. Wenn das doch passiert in einer Weise, dass künstlerische Fundamente des Hauses in Frage gestellt würden, würde ich nicht antreten.

Sind Sie schon dabei, den Spielplan zu basteln?

Ich nutze die laufende Spielzeit, viele Vorstellungen in Oldenburg anzukucken und mit den Ensemblemitgliedern ins Gespräch zu kommen. Das Fundament von Theater ist für mich das Ensemble, weil die Identifikation bei Theater über die Darsteller kommt. Der Spielplan muss dann mit den Stärken des Ensembles zu tun haben und ist erst der zweite Schritt.

Was reizt Sie am Intendanten-Job abgesehen von der Macht, die so ein Posten mit sich bringt?

Die Macht interessiert mich da gar nicht. Was mich interessiert ist, die richtigen Menschen zusammenzubringen und die Potentiale zu nutzen. Mein Credo ist, Rahmenbedingungen zu schaffen für die Kunst – deswegen werde ich auch selbst nicht inszenieren.

Interview: Klaus Irler