VATTENFALL TAUGT NICHT MEHR FÜR CLEMENTS POLITIKVERWEIGERUNG
: Stromkonzern wandelt Klima

Lars Josefsson ist Präsident von Vattenfall – einem der größten europäischen Energiekonzerne. In Deutschland macht Vattenfall mit Atomstrom und Braunkohleabbau satte Gewinne. Ein Lausitzer Dorf hier weggebaggert, ein Castor-Transport dort in die Wiederaufbereitungsanlage geschickt – gemeinhin hat Vattenfall das Image des ewig gestrigen Großkonzerns, der auf Umweltteufel komm raus Gewinn maximiert.

Der Chef scheint aber lernfähig zu sein. Josefsson erklärte gestern den Klimawandel zum größten und akutesten Problem der Menschheit. In Europa müsse der Kohlendioxidausstoß absehbar um 90 Prozent gesenkt werden. Und Josefsson forderte mehr Mut und Weitsicht von der Politik: Der Handel mit CO2-Verschmutzungs-Rechten sei viel zu kurzfristig angelegt.

Technisch und politisch – das ist für die deutsche Energiepolitik ein Paradigmenwechsel. Erstens hat Vattenfall gestern den Bau des weltweit ersten Kraftwerkes bekannt gegeben, das kein Kohlendioxid in die Luft pustet. Zweitens erscheinen ab sofort die Klagen von Eon, RWE und Co. in einem anderen Licht. Die Erderwärmung sei wissenschaftlich noch gar nicht erwiesen? Doch bitte mal bei Vattenfall anrufen. Die Kosten des Klimaschutzes seien eine unzumutbare Belastung der deutschen Stromwirtschaft? Sich doch bitte mal die Kalkulation des Konkurrenten angucken. Den Abgrund herbeireden, an dem der Standort Deutschland wegen zu teuren Stroms mal wieder steht? Einfach mal mit den Vattenfall-Management telefonieren!

Dumm sieht jetzt Wolfgang Clement aus. Egal ob beim Handel mit Kohlendioxidzertifikaten, bei der Kraft-Wärme-Kopplung oder beim Erneuerbare-Energien-Gesetz – stets hat der Bundeswirtschaftsminister das Klagelied der Energiekonzerne erhört und versucht, den Instrumenten des Klimaschutzes ihre Wirksamkeit zu nehmen. Es ist nicht bekannt, ob sich Umweltminister Trittin schon bei Vattenfall bedankt hat. Grund genug hätte er: Eine als Angstmacher absolut unverdächtige Stelle lieferte eine Analyse dessen, was am Klimaproblem dran ist. Und wie man seiner Herr werden kann – durch mehr Engagement. NICK REIMER