Die DDR-Popmusik als Original und Fälschung: City & Der Internationale Wettbewerb

Das ist jetzt aber doch, wie soll man es sagen: unrealistisch? Lächerlich? Oder selbstironisch? City haben nun genau vier Jahrzehnte als Band auf dem Buckel, das Durchschnittsalter der Musiker beträgt exakt 63 Jahre, das neue Album ist ihr zwölftes und getauft haben sie es: „Für immer jung“. Aber der Titel entpuppt sich schnell als Bob-Dylan-Zitat, der dazugehörige Song ist ein kurzer Lebensabriss von Sänger Toni Krahl, beginnt im Kinderheim, erwähnt den Knastaufenthalt, den er sich nach dem Einmarsch in Prag 1968 wegen Flugblätterverteilens einhandelte, und streift schließlich Stationen der Bandgeschichte. Dazu tröten fröhlich Bläser, als hätten City den Northern Soul entdeckt.

„Für immer jung“ aber ist natürlich ein sehr schöner Albumtitel. Nicht nur, weil City damit ihr Rubin-Jubiläum begehen. Nicht nur, weil das alte, ewige Versprechen der Rock- und Popmusik, das nicht nur Dylan schon in Reime gefasst hat, noch mal ganz naiv reaktiviert wird. Sondern auch vor allem deshalb, weil City, selbst damals, als sie tatsächlich noch ziemlich jung waren, nie so richtig jung wirkten. Das lag zum einen an Krahls knorriger Stimme, zum anderen an den Glatzen, die der Großteil der Band schon trug, als langes Männerhaar noch Pflicht war, und schließlich auch daran, dass ihr Rock selten so kunstvoll verschnörkelt war wie der der direkten DDR-Konkurrenz, die meist an Musikakademien ausgebildet worden war, aber dafür melancholisch und pessimistisch.

Diese Qualitäten hat auch das neue Album, nicht nur in einer Version von Bettina Wegners „Sind so kleine Hände“, auch in den Songs, die Krahl und Gitarrist Fritz Puppel selbst geschrieben haben: Die Sandburg wird abgeschlossen, im Radio läuft nur Scheiße und der Sommer ist im Mai schon vorbei. Dazu fährt immer wieder Georgi Gogows Geige durch die Szenerie, die der Band einst ihren immer noch größten Hit „Am Fenster“ bescherte und heute den manchmal überbordenden Pomp-Rock wieder auf die Füße stellt.

Wenn City das Original sind, dann bemüht sich Der Internationale Wettbewerb um eine gelungene Fälschung. Die Berliner Band um den Schauspieler Alexander Scheer hat ihr Debütalbum „Kein Schnaps für Sascha“ stilecht im Tanzsaal eines ehemaligen LPG-Kulturhauses aufgenommen. Die Atmosphäre war offensichtlich befruchtend. Das straßenmusikgestählte Septett schüttelt die locker-flockigen Deutschrock-Hits nur so aus den Ärmeln der Pyjamas, in denen sie auf dem Cover abgebildet sind: Die sind nun nicht so plump wie die Puhdys, nicht so verbissen wie City, nicht so prätentiös wie Silly, aber dafür so rotzfrech wie Pankow, bisweilen so virtuos wie Karussell und vor allem oft so elegant wie jene Chansons, die Manfred Krug mit Günther Fischer aufgenommen hat. Lieder wie „Frieden & Krieg“ imitieren sogar erfolgreich jene verklausulierte, auf die Leerräume zwischen den Zeilen abzielende Lyrik, damals typisch für die DDR-Popmusik. Die war, es ist kaum zu glauben, ziemlich großartig. Jedenfalls wenn sie nur annähernd so war, wie sich Der Internationale Wettbewerb an sie erinnert. THOMAS WINKLER

■ City: „Für immer jung“ (Ariola/Sony), live heute im Tempodrom

■ Der Internationale Wettbewerb: „Kein Schnaps für Sascha“ (office4music.com), Record- Release-Party heute im Bassy