Wieder Helfer getötet

In Afghanistan sterben bei Überfällen mindestens elf einheimische Mitarbeiter von Hilfsorganisationen

BERLIN taz ■ Sechs Mitarbeiter einer Hilfsorganisation sind gestern früh in der südafghanischen Provinz Sabul in ihrem Auto erschossen worden. Dies sagte der Sprecher des Gouverneurs der Provinz gegenüber der Nachrichtenagentur Reuters. AP sprach unter Berufung auf den gleichen Sprecher von sieben Opfern. Der weiße Geländewagen, in dem die afghanischen Opfer saßen, sei auf der Straße Kabul–Kandahar im Bezirk Schadschoi unter Beschuss geraten. Der Sprecher konnte weder Angaben über die Organisation der Opfer machen noch über die Täter. „Dies könnten Kriminelle oder Terroristen sein“, sagte er. Sabul gilt als Taliban-Hochburg.

Die Morde sind nur der jüngste Fall Besorgnis erregender Überfälle der letzten Tage. Erst am Mittwoch hatten mutmaßliche Taliban in der südlicheren Opiumprovinz Helmand fünf Mitarbeiter einer Hilfsorganisation erschossen, die in einem von den USA finanzierten Drogensubstitutionsprojekt arbeiteten. Am gleichen Tag meldete die Polizei in Kabul, dass eine Exfernsehmoderatorin erschossen worden war. Die 24-jährige Schaima Resaji hatte bis März für das private Tolo TV eine Musiksendung moderiert. Sie war entlassen worden, nachdem sie in die Kritik konservativer Geistlicher geraten war, weil sie in westlicher Kleidung vor die Kamera trat. Ihr mit MTV vergleichbares Programm war bei Jugendlichen beliebt. Laut Polizei gibt es keine Hinweise auf die Mörder, vermutet wird aber ein Zusammenhang mit der früheren Moderatorinnentätigkeit.

Am Dienstag waren in Kabul zudem zwei US-Soldaten in ihrem Fahrzeug beschossen und verletzt worden, berichtete die lokale Zeitung Cheragh. Erst am Montag war im Zentrum Kabuls die Italienerin Clementina Cantoni entführt worden, die für die US-Hilfsorganisation Care arbeitet. Ein Ultimatum ihrer Entführer, bei denen es sich laut Regierung um Kriminelle handelt, ist bis heute früh verlängert worden. Ein sich als Sprecher der Entführer ausgebender Mann forderte die Freilassung mehrerer Anführer seiner Bande.

Die Hilfsorganisation Caritas International befürchtet, dass die schlechte Sicherheitslage die Organisation bald zwingen könnte, ihre Mitarbeiter aus Afghanistan abzuziehen. Eine reguläre Arbeit sei schon jetzt nicht mehr möglich, erklärte die Organisation gestern in Freiburg. Die Mitarbeiter in Kabul dürften seit letzter Woche ihrer Unterkünfte nicht mehr verlassen. „Afghanistan ist kurz davor zu kippen,“ sagte Thorsten Hinz von Caritas. Vergangene Woche waren Büros internationaler Organisationen das Ziel antiamerikanischer Proteste. SVEN HANSEN