KULTURKAMPF IN LEIPZIG
: Streit um Neo Rauchs Nachfolger

Unter einem von der Decke hängenden Walgerippe verteidigte der Rektor der Leipziger Kunsthochschule am Freitag die umstrittenste Akademie-Personalie seit Jahren: Der Kölner Maler Heribert C. Ottersbach wird Nachfolger von Neo Rauch als Professor für Malerei und Grafik. Rauchs Wunschnachfolger, der Belgier Michael Borremans, sei bei der Berufungskommission durchgefallen, weil er schlecht deutsch spreche und zu weit weg wohne. Dass Ottersbach ein Freund von ihm, dem Rektor, sei, tue nichts zur Sache, Unterstellungen dieser Art seien unverschämt.

Wegen zu großer Arbeitsbelastung hatte Neo Rauch nach nur drei Jahren im Frühjahr seine Professur aufgegeben. Er überzeugte den international bekannten Borremans, sich in Leipzig zu bewerben. Dass Borremans Maler und gleichzeitig Filmemacher ist, verstand Rauch als Angebot an die Fraktion in der Hochschule, die sich mit der traditionellen Leipziger Malerei schwertut. Zu dieser Fraktion wird Brohm gezählt, der nun klar macht, er habe sich nicht in die Berufung eingemischt. Tatsächlich aber stammen mit Ottersbach drei von vier Malereiprofessoren aus Brohms rheinländischer Heimat. Bereits in der Vergangenheit hatte sich der Rektor den Ruf erworben, sein Netzwerk auf Leipziger Professorenstühle zu holen.

Doch um ost-west-deutsches Karrieregerangel geht es in dem Streit gar nicht. Der Krach ist Ausdruck eines Kulturkampfs, der in der Formalismusdebatte der 50er-Jahre-DDR begann und in den Schmähungen zwischen den als staatsnah gebrandmarkten DDR-Malern und den sich als liberal verstehenden Westkünstlern weitergeführt wurde. In den 90er-Jahren kam ein weiterer Antagonismus hinzu: Medienkunst und diskursive Kunstpraktiken rückten die Leipziger Malerei in die Ecke eines defätistischen Anachronismus, der so gar nichts zu tun hatte mit einer offenen Gesellschaft und ihrer Kunst.

Der Rektor und Fotograf Brohm wurde im Rheinland der Siebziger- und Achtzigerjahre künstlerisch sozialisiert. Dass es sich bei den Befürchtungen, er könnte Schluss machen mit der Leipziger Tradition, um mehr als eine Dolchstoßlegende der mittlerweile nicht mehr ganz so erfolgsverwöhnten jungen Leipziger Maler handelt, nährt er mit dem Satz: „Dass sich Kunst und Kunstpraxis verändern, halte ich für eine normale und wünschenswerte Angelegenheit.“

ROBERT SCHIMKE