Stöckelschuh als Sarg

KINDER UND TOD Wie Kinder mit dem Thema Tod umgehen, ist in der Ausstellung „Ich komm als Blümchen wieder“ im Bremer Rathaus zu sehen: ernsthaft, aber auch unbefangener als die Erwachsenen. Und viel bunter

Ein Junge wollte nichts Persönliches thematisieren. Er malte ein I-Pad mit schwarzem, angebissenem Apfel

VON RADEK KROLCZYK

Zum Repertoire kindlicher Allmachtsfantasien gehört auch die Vorstellung vom ewigen Leben. Es ist noch nicht viel Zeit vergangen, die Zukunft scheint unendlich. Die Idee, einem selbst oder den Nächsten, den Eltern, Geschwistern und Freunden könnte etwas zustoßen, erscheint absurd. Die Abwesenheit dieser Personen ist unvorstellbar. Irgendwann passiert es natürlich trotzdem, und sie sehen sich mit der Endlichkeit konfrontiert: Jemand aus der Familie wird krank oder stirbt.

Kinder erleben den Verlust von geliebten Menschen und Trauer individuell verschieden und abhängig von ihrem Alter. Die Erwachsenen, so heißt es auf der Website des Hospizes Bremen-Horn, „können Kinder und Jugendliche nicht vor diesen schmerzlichen Erfahrungen bewahren“. Ihre Aufgabe sei es aber, „Kinder und Jugendliche mit ihren Erfahrungen von Abschied und Verlust, von Tod und Trauer nicht allein zu lassen, sondern sie zu verstehen, sie mit ihren Gefühlen anzunehmen und sie darin zu begleiten“. Vor allem an Eltern und Lehrer wendet sich dieser Appell.

Unter dem Titel „Ich komm als Blümchen wieder“ hat die kulturpolitische Organisation „Quartier Bremen“ im vergangenen Jahr ein stadtteilübergreifendes Projekt gestartet, in dem Kindern und Jugendlichen die Möglichkeit gegeben wurde, sich den Themen Leben und Tod, Vergänglichkeit und Abschied mit künstlerischen Mitteln zu nähern. Insgesamt haben 500 Mädchen und Jungen aus 30 Schulen, Jugendzentren und Kulturvereinen an dem Projekt teilgenommen. Unterstützt wurden sie dabei von Künstlerinnen und Künstlern aus der Region.

Die Ergebnisse sind nun in der unteren Rathaushalle zu sehen. Dabei wirken die wenigsten der gezeigten Bilder und Fotos, Skulpturen und Installationen wirklich traurig. Schwarz ist eine seltene Farbe. Es ist, als hätte die Grufti-Band Goethes Erben mit ihrem Titel Recht gehabt: „Das Sterben ist ästhetisch bunt.“ Es gibt farbige Figuren auf einem Totenschiff, fantasievolle Keramik-Urnen und hübsche pastellfarbene Gespenstermasken.

„Künstlerische Praxis ist ein adäquates Mittel für Kinder, um mit diesem schwierigen Thema umzugehen“, sagt Margrit Ruzicka vom Hospiz Horn, die das Projekt pädagogisch begleitet hat. „Wenn man die Phantasie der Kinder anstößt, kommt bei ihnen ein Prozess in Gang.“ Ruzicka meint, es wäre ungeeignet, gingen Hospiz-Mitarbeiter etwa in Schulen, um Vorträge zu halten. „Damit könnten die Kinder gar nicht umgehen.“

Eine Einschätzung, die Ursula Overhage vom Förderzentrum Obervieland im Stadtteil Kattenturm nur bestätigen kann. Sie hat während der Projektarbeit mit ihren Achtklässlern sehr viele rührende, persönliche Momente erlebt. In ihren Bildern verarbeiteten die Kinder ihre bösen Erfahrungen: „Die Schwester eines der Kinder ist vor wenigen Jahren im Eis eingebrochen. Bei einem anderen Kind ist der Großvater im Libanon gestorben“, erzählt Overhage. „Die Kinder haben ihre Geschichten sehr bewegend im Bild umgesetzt. Für die Kinder ist es wichtig, auf diese Weise ihre Geschichte öffentlich erzählen zu können.“

Der kleine Daniel hat all die Dinge, die ihn an seinen verstorbenen Opa erinnern, auf seiner Leinwand zusammengetragen. „Es geht um meinen Opa Jakob. Er spielte gerne Karten und mochte Fußball. Er war ein Fan von Dynamo Moskau. Er war Pferdewirt und lebte in Sibirien“, erzählt er. Einer der Schüler wollte ausdrücklich nichts Persönliches thematisieren. Er malte ein schwarzes I-Pad und einen schwarzen angebissenen Apple-Apfel: Der Tod des Apple-Gründers Steve Jobs im vergangenen Jahr hatte sein Interesse geweckt.

Anders ging der Künstler Tobias Lange mit seiner Kindergruppe vom Spiel-Treff Friesenstraße vor: Ausgangspunkt ist eine Tradition aus Ghana, der zu Folge die Särge nach den Berufen und Leidenschaften der Verstorbenen gestaltet werden. Die Kinder haben gemäß ihren eigenen Vorlieben Särge im Modellformat gebaut. Auf diese Weise entstanden Särge in der Form von E-Gitarren, Werder-Bremen-Spielern, Pommes und Stöckelschuhen. Zwar geht es hier eher um ihre Wünsche als Lebendige, denn um den Umgang mit dem Tod. Vielleicht aber lassen sich einmal Meerschweinchen, Goldfische oder Wellensittiche in einer Kiste mit E-Gitarren-Form unter die Erde bringen.

„Ich komm als Blümchen wieder“, Untere Rathaushalle, Am Markt 1, Bremen, täglich 10 bis 18 Uhr