Die Saftladen-Chefin

Bloß kein Mitleid. Rita Mohr-Lüllmann ist gewarnt. Wenn die promovierte Pharmazeutin und Fachapothekerin Samstag Abend, zehn Tage nach ihrem 55. Geburtstag, zur Vorsitzenden der Bremer CDU gewählt wird, weiß sie, auf was sie sich einlässt. Und sie tut’s aus freien Stücken.

Beim Landtagswahlkampf konnte man noch daran zweifeln: Ihr Vorgänger schien sie als Spitzenkandidatin gecastet zu haben, um Frauen-Punkte zu sammeln, und um die absehbare Niederlage selbst besser zu überstehen. Weder war die Apothekerin politisch sonderlich erfahren – sie ist erst seit elf Jahren Parteimitglied – noch hatte sie ein erkennbares Profil.

Und jenseits von Vier-Augen-Gesprächen agierte die ehemalige Klosterschülerin aus dem Sauerland rhetorisch ungeschickt: Sie gilt schnell als mimosenhaft, viele empfinden ihre Reaktionen auf Kritik in Diskussionsveranstaltungen als zickig oder patzig. Dass sie wohl auch deshalb die große Bühne scheut, hatte sie zu einem bundesweit einzigartigen Absenz-Wahlkampf verleitet, stets am Rande der Peinlichkeit, mitunter darüber hinaus.

Aber sie arbeitet daran. Und sie ist zäher als vermutet: Im Herbst war sie als klare Siegerin aus der Mitgliederbefragung der Union hervorgegangen. Und bei der hatte sie, zumal in Bremerhaven, weitaus persönlichere Anfeindungen ausstehen müssen als in einem demokratischen Wahlkampf üblich.

Schnell beerdigen wird sie wohl den Slogan, mit dem ihr Vorgänger Thomas Röwekamp die Bremer CDU ab Herbst 2010 als Marke hatte etablieren wollen. „Richtig gute Partei“ lautete der, und als er dem Parteitag präsentiert wurde, signierten alle, alle das Plakat. Nur Mohr-Lüllmann nicht. Jetzt weiß sie aus ganz unmittelbarer Erfahrung, dass das damals ein frommer Wunsch war – oder Zynismus.

Schließlich hatte Röwekamp selbst den Slogan Lügen gestraft: Mit der verbitterten Ehrlichkeit des Abgangs nannte er die von ihm geführte CDU einen Saftladen. Der nun eine neue Chefin hat.  BES