Bannstrahl für Nagel

Kirchenoffizielle rüffeln den Kirchentags-Präsidenten wegen eines klugen Vorschlags

Einst gab es den Zehnten; die Weimarer Republik garantierte das Besteuerungsrecht der Religionsgemeinschaften dann erstmals per Verfassung. Klar, dass die Bosse aufschreien, wenn einer aus den eigenen Reihen das Ende des jahrzehntelangen Privilegs fordert – und damit wenige Tage vor dem Beginn des Evangelischen Kirchentags in Hannover den Burgfrieden stört. Die Kämmerer Gottes müssten langfristig „Alternativen zur Kirchensteuer“ entwickeln, hatte Kirchentags-Präsident Eckhard Nagel gesagt. Wenn die Steuer Haupteinnahmequelle der Kirchen bleibe, werde die Hüterin des Glaubens aus der Todesspirale des Sparens nicht mehr rauskommen.

Republikweit stiegen die Kirchenoberen von der Kanzel, um Nagel mit dem Bannstrahl zu belegen: Vor „katastrophalen Folgen“ warnte der Thüringer Landesbischof Christoph Kähler. Die Kirchensteuer sei „ein bewährtes und zuverlässiges Instrument“, das man „nicht leichtfertig aufs Spiel setzen dürfe“, meinte der rheinische Präses Nikolaus Schneider. Der hannoversche Kirchenjurist Eckhart von Vietinghoff stieg noch eine Stufe tiefer herab: Die Kirchentags-Organisatoren seien ja nur Laien. Die alle zwei Jahre zum Glaubens-Treff rufende Christenheit solle sich deshalb auch nur dann äußern, wenn sie „auch sachkundig ist“. In dieselbe Kerbe hieb Landesbischöfin Margot Käßmann, als sie sagte, die Kirchentagler seien offenbar „noch nicht von der Krise der Kirche erfasst“ worden. Immerhin: Das diesjährige Event, zu dem am kommenden Mittwoch 300.000 Gäste in Hannover erwartet werden, kostet 13 Millionen Euro, der Kirchentag in Frankfurt/Main 2001 hatte nur mit 11,5 Millionen zu Buche geschlagen.

Warum von den Offiziellen niemand die Kirche im Dorf lassen kann, erklärt sich durch wegbrechende Einnahmen: Der Steuer-Ertrag der 23 evangelischen Landeskirchen war 2004 von 3,99 auf 3,7 Milliarden Euro gesunken, 2005 rechnet die EKD mit erneut fünf Prozent Minus. Das tut weh – und kann zu panischen Reaktionen führen. Die gefährden die Institution und damit ihre Kindergärten, Altersheime, Bildungs- und Sozialeinrichtungen aber viel mehr, als wenn man sich Denkanstößen wie denen Nagels verweigert. Nagel, Chirurg an der Uni Bayreuth, hat in den USA, Frankreich und England gelebt – und dort erlebt, wie sich Kirchen durch Spenden finanzieren. Außerdem ist der Multifunktionär auch Präsident der kirchennahen Hans-Lilje-Stiftung – die kommt ebenfalls ohne Steuergelder aus. Kai Schöneberg