Die Flügel der Tante Ju

Der Hamburger Flughafen rüstet sich mit neuem Terminal für 15 Millionen Passagiere, dabei ist er nur acht Kilometer vom Stadtzentrum entfernt. Ein „Drehkreuz des Nordens“ ist derzeit kein Thema

aus HamburgGernot Knödler

Die Architekten vom Hamburger Büro Gerkan Marg und Partner haben offenbar einen Hang zu sinnreichen Konstruktionen, wenn es um Flughäfen geht. Einem ihrer ersten großen Projekte, dem Flughafen Berlin-Tegel, gaben sie die Form eines Benzolrings, dem Kraftstoff des Flugverkehrs. Die beiden Terminals des „Hamburg Airport“ sehen aus wie die Flügel einer Tante Ju, dem Junkers-Klassiker. Gestern wurde nach dem Terminal 2 endlich auch das Terminal 1 feierlich eröffnet, am 25. Mai beginnt der Betrieb. Damit nähert sich eine Ausbauphase ihrem Ende, die Anfang der 90er Jahre begonnen hat und insgesamt knapp 1,2 Milliarden Euro verschlingen wird.

15 Millionen Passagiere kann der Airport nach Eröffnung des neuen Terminals abfertigen. Dabei hat er sich im vergangenen Jahr erst von den Turbulenzen im Gefolge der New-Economy-Krise, des 11. September und SARS erholt: Mit 9,9 Millionen Passagieren hat er erstmals wieder fast so viele abgefertigt wie im Spitzenjahr 2000. Er ist damit der fünftgrößte der Republik und der älteste in Deutschland.

1911 gegründet und mittlerweile rings von Wohngebieten umgeben, war er seit den 60er Jahren wiederholt Gegenstand von Verlegungsplänen. Jahrzehntelang trugen sich die Politik mit dem Gedanken, in Kaltenkirchen, 18 Kilometer nördlich der Landesgrenze, ein Luftdrehkreuz des Nordens zu bauen. Nach der Wende wurde ein gemeinsamer Flughafen für Hamburg und Berlin bei Stendal diskutiert und zu Gunsten von Berlin-Schönefeld verworfen.

Beflügelt von der vom Senat verbreiteten Wachstumseuphorie hat jüngst der Schuhkönig Ludwig Görtz in einem Artikel in der Welt Kaltenkirchen wieder ins Spiel gebracht. Es sei absehbar, „dass die jetzige Ausbaustufe des Hamburger Flughafens an ihre Grenze stoßen wird“. Auf der politischen Tagesordnung steht das Thema jedoch nicht.

Der Streit um den Fluglärm ist mittlerweile leise geworden. Zum einen wohl, weil die letzte Gerichtsentscheidung zum Ausbau dreieinhalb Jahre zurückliegt. Das Oberverwaltungsgericht erkannte geplagten Anwohnern einen Anspruch auf Entschädigung zu. Zum anderen hat der Lärm in den vergangenen zehn Jahren trotz moderat wachsenden Flugverkehrs eher leicht ab- als zugenommen. Geförderte Lärmschutzfenster für die Nachbarn und eine Lärmschutzhalle für Triebwerksprobeläufe (seit 2001) tun ein übriges.

Das neue Terminal, das zwei veraltete Anlagen ersetzen wird, vollzieht den Ausbau auf dem Flugfeld von 42 auf 65 Abfertigungspositionen nach. Gebaut wurden überdies zwei tonnenförmige Parkhäuser, so dass zusammen mit in Bau befindlichen Abstellflächen ab 2007 knapp 12.000 Parkplätze zu haben sein werden. Ein Einkaufszentrum zwischen den beiden neuen Terminals und ein Hotel sollen folgen. 2008 schließlich soll die erste S-Bahn zum Airport rollen. 2001 begonnen, hätte das 225-Millionen-Euro-Projekt 2005 fertig sein sollen. Planungsprobleme in der Baubehörde und technische Schwierigkeiten führten wiederholt zur Verschiebung des Fertigstellungstermins. 2003 war durch eine Panne beim S-Bahnbau die Zufahrt zu einem Terminal abgesackt. Seit einem halben Jahr ist dieses Problem behoben, bei der Einweihung des neuen Terminals kann standesgemäß vorgefahren werden.