Schulden ausgebremst

In den Schweizer Kantonen entscheidet das Volk, wie viel der Staat für was ausgeben darf. Auf Bremen dürften die direktdemokratischen Elemente nicht leicht zu übertragen sein. Die Grünen wollen es trotzdem versuchen

Wenn es nach den Grünen geht, wird Bremen in Zukunft ein bisschen schweizerischer. „Das sind Instrumente, mit denen wir auch in unserem Bundesland arbeiten könnten“, sagte Jan Köhler, haushaltspolitischer Sprecher der Bremer Grünen-Fraktion im Anschluss an einen Vortrag von Gebhard Kirchgässner. Der Wirtschaftswissenschaftler von der Universität St. Gallen stellte Interessierten Elemente direkter Demokratie vor, die einen starken Anstieg öffentlicher Verschuldung verhindern sollen.

Kirchgässner konzentrierte sich auf zwei Elemente aus den schweizerischen Kantonen: Ausgabenreferendum und Schuldenbremse. Beim Ausgabenreferendum muss das Parlament ab einer bestimmten Höhe Beschlüsse vom Volk genehmigen lassen – und zwar alle Ausgaben, die nicht gesetzlich festgelegt sind. Kirchgässner illustrierte dies am Beispiel eines Neubaus an seiner Universität in St. Gallen. Die Ausgaben von über 80 Millionen Franken müssten durch das Volk bewilligt werden. Für den Befürworter der direkten Demokratie keine leichte Sache. „Die Bürger können sich natürlich dagegen entscheiden, denn schließlich müssen sie den Neubau ja über Steuern bezahlen. Dann müssen wir weiter mit den alten Gebäuden klar kommen.“

Als ergänzendes Element zum Referendum sieht Kirchgässner die Schuldenbremse. Sie führten die Schweizer in mehreren Kantonen in den neunziger Jahren ein, da die öffentliche Verschuldung „aus dem Ruder zu laufen“ begann. Die Schuldenbremse regelt, dass Verschuldungen im aktuellen, spätestens in den übernächsten Haushalt eingestellt und somit zeitnah abgebaut werden. „Das ist funktionierende antizyklische Finanzpolitik“, erklärte Kirchgässner. In seinem Kanton geschieht dies obligatorisch bei einmaligen Summen von 15 Millionen und wiederkehrenden von 1,5 Millionen Franken. Dadurch soll verhindert werden, dass Schulden bei boomender Konjunktur nicht zurück gezahlt werden. „Die Erfahrung lehrt: Was die Leute nicht zahlen wollen, müssen sie auch nicht zahlen“, so der Schweizer Wissenschaftler.

Jan Köhler übertrug die Schweizer Erfahrungen auf Bremen. „Bei einem Volumen in dieser Größenordnung wäre eine Fehlinvestition wie beim Space Park nie möglich gewesen“, so der Grünen-Finanzpolitiker. Er plant eine Initiative zur Stärkung direkter Demokratie, um die Finanzpolitik vom Volk kontrollieren zu lassen. Zurzeit verhindert das noch der so genannte Finanzvorbehalt in der Bremer Landesverfassung: Die BürgerInnen dürfen nicht direkt über öffentliche Ausgaben oder Gehälter bestimmen. In vielen Schweizer Kantonen wird genau dies dagegen seit mehreren Jahren immer häufiger praktiziert. Der Schuldenberg in St. Gallen sei nur moderat gewachsen, die öffentlichen Haushalte „solide“, warb Kirchgässner. Das Argument einiger Zuschauer, direkte Demokratie öffne dem Populismus Tür und Tor, ließ er nicht gelten. „Die Menschen informieren sich besser, wenn sie etwas zu entscheiden haben“, so Kirchgässner, der eine Beteiligung von nur rund 40 Prozent der WählerInnen an den Volksabstimmungen nicht für problematisch hält.

Auch Ulli Rühl, Professor für Öffentliches Recht mit dem Schwerpunkt Verfassungsrecht, Staatstheorie und Rechtsphilosophie an der Bremer Uni ist ein Freund direkt-demokratischer Elemente. Allerdings sieht er Probleme bei der Umsetzung. „Der Finanzvorbehalt ist ein Kernbereich des Parlamentarismus. Das Parlament übernimmt als Delegierter des Volkes die Kontrolle der Regierung“, sagte er. Bremen könne nicht einfach die Verfassung ändern, in Deutschland gebe es ein Homogenitätsgebot mit bundesrechtlichen Vorgaben. Die Chancen, diese zu ändern, seien mehr als gering. Was Rühl bedauert. Schließlich hätten sich direkt-demokratische Elemente auf kommunaler Ebene auch hierzulande bewährt. Kay Müller