„Politiker tun sich leichter“

Ex-Wirtschaftssenator Josef Hattig (CDU) über die Anforderungen an einen neuen Wirtschaftssenator und die Unterschiede zwischen Wirtschaft und Politik

taz: Herr Hattig, als Mann mit großer Erfahrung in diesem Sektor, wer ist der geeignetste Kandidat für den Posten des Bremer Wirtschaftssenators?

Josef Hattig, Ex-CDU-Wirtschaftsenator: Ich werde mich hier nicht zur aktuellen Bremer Politik äußern, aber was ein Wirtschaftssenator allgemein mitbringen muss, will ich Ihnen gerne sagen.

Okay. Was muss er denn können?

Er muss vor allem fünf Voraussetzungen erfüllen: Politische Erfahrung mitbringen oder zumindest einen politischen Sensus haben. Zweitens wirtschaftlichen Sachverstand haben oder so schnell wie möglich erwerben. Drittens: Kommunikationsfähig sein und zwar sowohl im Ressort als auch mit den Kollegen in Parlament und Senat. Viertens darf er nie zulassen, dass die Taktik, um eine Sache durchzusetzen, die Sachpolitik völlig konterkariert. Und eine fünfte Anforderung, die man allerdings nicht lernen kann: Humor.

Im einzelnen, wie erfahren muss ein Senator sein?

In der Wirtschaft ist die Willensbildung hierarchisch. Da werden alle Beteiligten befragt und am Ende wird eine Entscheidung getroffen. In der Politik ist das genau umgekehrt. Es wird eine Entscheidung getroffen, die dann politisch durchgesetzt werden muss. Das muss man wissen, da nützen Erfahrungen aus der Wirtschaft nicht viel.

Umgekehrt: Wie viel Ahnung von Wirtschaft muss ein Wirtschaftssenator haben?

Ein neuer Senator muss zwischen Betriebswirtschaft und Volkswirtschaft unterscheiden. In der Politik denkt man volkswirtschaftlich und damit langfristiger. In der Betriebswirtschaft eines Unternehmens muss sich eine Investition nach fünf bis zehn Jahren rechnen, in der Politik schaut man eher auf langfristige Faktoren wie die Schaffung von Arbeitsplätzen. Eine profunde Erfahrung in einem Unternehmen ist immer von Vorteil, die kann ein Politiker nicht aufholen.

Wer ist der bessere Kandidat: Jemand aus der Wirtschaft oder jemand aus der Politik?

Politiker tun sich leichter, wirtschaftliche Bedingungen zu begreifen als Wirtschaftler politische Bedingungen. In der Wirtschaft kommt keiner auf die Idee, einen Popanz zu spielen. Die Abläufe sind sachorientierter. In der Politik ist die Sache oft genug die nächste Wahl und der alltägliche Beifall. Ein Politiker muss bereit sein, zu lernen und sachliche Kompetenz im Ressort zu bündeln – und nicht nur taktische.

Welche Aufgaben muss ein neuer Wirtschaftssenator in Bremen angehen?

Er muss mit dem Finanzsenator ein Zwillingspaar bilden. Da muss es funktionieren, um Investitionen noch härter auf ihre Finanzierbarkeit zu prüfen. Da dürfen auch unterschiedliche Parteibücher keine Rolle spielen.

Und woran kann ein Senator verzweifeln?

Das ist eine schwierige Frage. Man muss viele Spannungen aushalten, und dabei nie aus dem Auge verlieren, vernünftige Sachpolitik zu machen – auch gegen Widerstand. Hier könnte ein wenig mehr Unternehmenskultur in der Politik nicht schaden. Ich betrachte es immer noch als eine meiner größten Lebensleistungen, den Job sechs Jahre lang durchgehalten zu haben.

Interview: Kay Müller