Schalkes rapider Formschwund

VON JÖRG STROHSCHEIN

Wohl nichts ist so unnötig, wie einem Fußballspieler zu sagen, er müsse das nächste Spiel unbedingt gewinnen – womit wir beim FC Schalke 04 wären. Der heutige Gegner, der SC Freiburg, könne nicht auf die leichte Schulter genommen werden, sagt Ralf Rangnick, Trainer der Blauhemden. Was soll er auch sagen? Im Grunde stellen Finke-Schüler keinen ernst zu nehmender Gegner dar. Oder? Viele meinen, die Breisgau-Brasilianer von einst traben jetzt nur noch mit der Eleganz von Ackergäulen übers Fußballfeld. Bei einer erneuten Niederlage brächten sie ja das Kunststück fertig, sich mit mageren 18 Zählern den Titel als schlechtester Absteiger der Bundesliga nach Einführung der Dreipunkteregel zu erspielen.

Die Fronten scheinen also geklärt. Der Tabellenzweite FC Schalke 04 trifft auf einen abgeschlagenen Absteiger. Ein Erfolg für Königsblau sollte Formsache sein. Doch in Anbetracht des recht turbulenten Saisonverlaufs scheint alles möglich: Zunächst ging es nach der Verpflichtung Ralf Rangnicks voran. Auch mit Glück konnte der FC Schalke einige Partien knapp mit nur einem Treffer Unterschied für sich entscheiden und so vom Tabellenende in angenehmere Sphären vorrücken. In der Rückrunde schwebte dann sogar die Deutsche Meisterschaft über dem Schalker Markt. Doch vor rund zwei Monaten war’s vorbei mit dem Spuk – spätestens nach dem Heimerfolg gegen den FC Bayern hatte Schalke so seine Probleme.

Der Tabellenzweite der Bundesliga erspielte sich aus den vergangenen acht Partien äußerst bescheidene sieben Punkte. Und auch über die gesamte Saison betrachtet, arbeitete sich das Team von Ralf Rangnick neben wenigen spielerischen Höhepunkten auch keine statistischen Spitzenwerte heraus.

Die Torquote, trotz der 14 Treffer vom bereits wieder abwanderungswilligen Ailton, ist lediglich oberer Bundesliga-Durchschnitt (53 Tore). Die vor der Saison so hoch gelobte Abwehr um die Neuzugänge Marcelo Bordon und Mladen Kristajic hat mit 44 Gegentoren schon genau so viele Treffer hinnehmen müssen wie der Tabellenzehnte Hannover 96. Umso verwunderlicher: Ailton, Lincoln, Ebbe Sand und Co. erhielten sich trotz der Formschwäche ihre Chancen. Die kränkelnde Konkurrenz half tatkräftig mit. Sie leistete großzügig Schützenhilfe. Doch trotz dieser wunderlichen Begleitumstände steht fest: Das Selbstbewusstsein ist von der Schalker Mannschaft gewichen. Wer weiß, vielleicht sitzt ja immer noch das Trauma des Jahres 2001 in den Knochen, als man ausgerechnet beim VfB Stuttgart am 33. Spieltag die Meisterschaft in letzter Sekunde leichtfertig herschenkte.

Die Schalker Spieler müssen dieses Spiel in Freiburg gewinnen. Es ist das wichtigste dieser Saison. Sollte es eine Niederlage geben, kennt Manager Rudi Assauer schon jetzt die Antwort: „So viel Glück, dass die anderen nicht gewinnen, kannst du nicht haben. Dann bist du weg.“ Zu Recht.

Jörg Strohschein berichtet für die Westdeutsche Zeitung über den FC Schalke 04