HAMBURGER SZENE VON MAXIMILIAN PROBST
: Die Bild-Gaffer

Er bewegte angestrengt die Lippen, wie das kleine Jungs tun, die zum ersten Mal im Stillen einen Text entziffern

Gibt es diese Menschen eigentlich – Bild-Leser? Hm. Heute morgen in der S-Bahn, da hatte sich einer die Bild zwischen die Knie geklemmt. Und später auch aufgeschlagen. Er starrte hinein und bewegte dabei angestrengt die Lippen, wie das kleine Jungs tun, die zum ersten Mal im Stillen einen Text entziffern. Dann begann er zu blättern, nun ohne Verformungen des Munds, dafür aber mit geweiteten, stieren Augen. Schon an der nächsten Station war er mit dem Blatt durch. Hatte er gelesen? Hm.

Gewiss, auch Bilder lassen sich lesen. Kunstwissenschaftlich- oder psychoanalytisch geschulte Geister machen das und lesen dann im Bild etwas, was hinter dem Bild liegt. Aber dieser Schulung bedarf es nicht mal, um aus der Bild und ihren Bildchen herauszulesen, dass deren Konsumenten nicht lesen können. Sondern allenfalls gaffen.

Wahrscheinlich auch dieser Fabian, der auf den Bild-Werbeplakaten der Zeitung seine Meinung sagt: „Lange Sätze sind nicht mein Ding.“ Ein gewisser Frank Elstner wird an der nächsten Haltestelle noch deutlicher: „Manchmal bin ich schon nach einer Minute mit der Bild durch. Das muss sich ändern, Leute.“ Dem kann ich mich nur anschließen. Dünner wünsche ich mir das Blatt, viel dünner. Vierlagig und ’n büschen weicher. Dann könnte man sich immerhin den Allerwertesten damit abwischen.