„Soll er sich lächerlich machen!“

Kurt Biedenkopf braucht Öffentlichkeit wie eine Droge. Sagt Königskenner Jürgen Leinemann über den Exlandesvater, der seinen Nachfolger aus dem Amt mobben will

taz: Herr Leinemann, was treibt Kurt Biedenkopf an, drei Jahre nach seinem Rücktritt gegen Georg Milbradt zu wettern und damit nachzutreten?

Jürgen Leinemann: Wenn jemand das Gefühl hat, dass er seine Bedeutung nur über öffentliche Ämter nachweisen kann, und das kann man für Biedenkopf annehmen, fühlt er sich nun um etwas sehr Wichtiges gebracht, um einen Teil seiner Existenz. Und er wird nicht auf die Idee kommen, dass er selbst Fehler gemacht hat. Er wird es nach außen tragen und sich einen Schuldigen suchen: Milbradt.

Welche Not bewegt jemanden wie Biedenkopf dazu, immer weiterzumachen, statt sich zurückzuziehen?

Ab einem bestimmten Zeitpunkt sind die Nöte gar nicht mehr das Entscheidende, sondern ist es die Tatsache, dass die Politiker die Bodenhaftung verloren haben. Es geht nur noch um den Gedanken: Wo bleibe ich dabei? Man könnte es als zentrales Kennzeichen von Politikern im Medienzeitalter ansehen, dass sie die öffentliche Aufmerksamkeit brauchen wie eine Droge.

Gilt genau das auch für Biedenkopf?

Ja, der Mann zeichnet sich durch eine unglaubliche Beharrlichkeit aus, was ja auch eine Fähigkeit ist. Und wenn der nackte Kaiser nur lange genug durchhält, gucken die Leute ihm vielleicht irgendwann auch wieder Kleider an. Wobei Biedenkopf sich das sicher nicht rational überlegt, von Rationalität kann da keine Rede sein.

Im Gespräch zu sein ist alles, was zählt?

Für manche ist öffentliche Wirkung eben die einzige Methode, eine Existenzberechtigung zu entwickeln. Dafür war Biedenkopf schon immer ein Beispiel. Ich war immer sehr skeptisch, was seine blumigen und fantasievollen Gedankenspielereien einerseits und seine tatsächliche Standfestigkeit andererseits anging. Da bestand für mich immer eine große Diskrepanz. Biedenkopf hat in Sachsen König gespielt. Den Leuten hat es lange gefallen, bis er seine Rolle überzog.

Warum benutzt er für seine Aktion ausgerechnet den SPD-Politiker Karl Nolle – also jenen Mann, der an seiner Demontage einst kräftig mitwirkte?

Der gehörte wahrscheinlich immer zum Hofstaat.

Was kann eine Partei tun, um solche alten Kader, die sich selbst und ihrer Umgebung schaden, loszuwerden?

Eigentlich kann sie sie nur ignorieren und warten, dass sie sich selbst lächerlich machen. Was schnell möglich ist. Ich finde es auffällig, dass wir im Moment viele Gesten sehen, in denen jemand seine Übersteigerung öffentlich macht und sich dem Gelächter preisgibt. Viele Politiker sehen nicht, dass das Leben weitergeht und dass sie am Rande der Lächerlichkeit operieren. Sie machen einfach immer weiter.

INTERVIEW: KAI BIERMANN