Immer Ärger mit Exkönig Kurt

Der ehemalige Ministerpräsident Kurt Biedenkopf (CDU) hat mit der Krise der Sächsischen Landesbank eine Gelegenheit gefunden, seinem Nachfolger Georg Milbradt eins auszuwischen. Heimliche Briefe gelangen plötzlich an die Öffentlichkeit

AUS DRESDEN MICHAEL BARTSCH

„Wenn es Intrigen gibt, gehe ich!“ Dieser Satz von Kurt Biedenkopf ist zwar nicht so berühmt geworden wie jener über seinen damaligen Finanzminister Georg Milbradt, den er zwar für einen hervorragenden Fachmann, aber für einen „miserablen Politiker“ hielt. Dafür hat ihn Biedenkopf in seiner Zeit als sächsischer CDU-Ministerpräsident häufiger ausgesprochen, vor allem im Jahr seines Abstiegs, 2001. Nun hat der Spruch eine neue Bedeutung bekommen. Pfingsten wurde ein an die Presse lancierter persönlicher Brief Biedenkopfs an seinen Nachfolger Milbradt bekannt, in dem er ihn indirekt zum Rücktritt auffordert.

Formaler Anlass des bereits vor zwei Monaten verfassten Schreibens ist die Krise der Sächsischen Landesbank, eines Lieblingskinds von Milbradt. Deren Geschäftsgebaren wird in Kürze ein Untersuchungsausschuss des Landtags beleuchten, der auf PDS-Antrag zustande gekommen ist. Es geht um versteckte Verluste, unter anderem bei der Tochter Mitteldeutsche Leasing (MDL), um den Rücktritt der Vorstände und den drohenden Verlust des A-Ratings der Bank. Milbradt solle sich öffentlich zu seiner Verantwortung für den schlechten Ruf der Bank bekennen, fordert nun Biedenkopf.

„Wie schon in der Vergangenheit setzt sich Biedenkopf damit dem Verdacht aus, private Interessen und Politik zu vermischen“, sagt Hermann Winkler, bis zum Herbst des vorigen Jahres Generalsekretär der sächsischen CDU und seither Chef der Sächsischen Staatskanzlei. Denn Biedenkopfs Schwiegersohn Andreas Waldow ist Pressesprecher der angeschlagenen MDL und steht unter dem Verdacht der Urkundenfälschung.

Der Vorgang ist aber vor allem vor dem Hintergrund der Krise der sächsischen Union nach dem Wahldebakel 2004 interessant. Das mit der Entlassung Milbradts als Finanzminister 2001 offenkundig gewordene Zerwürfnis der einstigen Männerfreunde ist seither ein Dauerthema. So wie der Wahlkampf ganz auf Ministerpräsident Milbradt zugeschnitten war, wurde dieser innerparteilich auch allein für die Niederlage verantwortlich gemacht. Zugleich kamen nostalgische Erinnerungen an die Ära Biedenkopf auf, als sich die Landespartei noch hinter dem populären Erfolgsgaranten Biedenkopf, Spitzname „König Kurt“, verstecken konnte.

Hermann Winkler schätzt, dass immer noch 30 Prozent der Mitglieder in der sächsischen CDU Anhänger Biedenkopfs sind. Nach Insiderinformationen trifft sich ab und an ein Kreis dieser potenziellen „Verschwörer“ mit Biedenkopf im tschechischen Grenzort Bozi Dar auf dem Kamm des Erzgebirges. Mit seinem Intrigenstil demontiere sich Biedenkopf nun aber zunehmend selbst, sagt Winkler. Der frühere Justizminister Steffen Heitmann forderte in der FAZ die Landespartei sogar zum Bruch mit Biedenkopf auf. „Verdienste bleiben Verdienste, aber für die Zukunft hast du uns nichts mehr zu sagen. Denn was du sagst, ist destruktiv“, zitiert ihn die FAZ.

Den Brief Biedenkopfs an Milbradt hat ausgerechnet der so genannte SPD-Chefaufklärer Karl Nolle an die Presse lanciert. Nolle hatte 2001 mit einer Kampagne gegen Biedenkopfs Privilegien maßgeblich zu dessen Sturz beigetragen. Weil der bislang unbeantwortete Brief in der Staatskanzlei höchstens zwei oder drei Leuten bekannt gewesen sein kann, vermutet Kanzleichef Winkler, der mit Informationen stets gut versorgte Nolle habe ihn direkt vom Absender erhalten. Der SPD-Fraktionsvorsitzende Cornelius Weiss will deshalb noch „ein ernstes Wort“ mit seinem Abgeordneten reden. Auch er hält es für einen „sehr schlechten Stil“ Biedenkopfs, sich in die Angelegenheiten seines Nachfolgers einzumischen. Parteichefin Angela Merkel war am Dienstag extra zu einem Schlichtungsgespräch nach Dresden gereist.