BVB solidarisch mit sich selbst

Die Fans von Borussia Dortmund dominieren das letzte Spiel der Bundesligasaison: 80.000 schwarz-gelbe Anhänger demonstrieren beim 2:1-Erfolg über Hansa Rostock schwarz-gelbe Einigkeit

Ein dänisches Bettenhaus kann erst in einem Monat gelben Stoff liefern

AUS DORTMUNDULRICH HESSE-LICHTENBERGER

In den Zeiten der PISA-Versager, halbwüchsigen Hartz-IV-Opfer und nichtwählenden Erstwähler sollte auch mal darauf hingewiesen werden, dass ein großer Teil der Jugend findig, arbeitswillig (gar -wütig) und engagiert ist. Nehmen wir nur die Mitglieder der Dortmunder Fan-Gruppierung „The Unity“. Es handelt sich hierbei um etwas weniger als vierhundert Anhänger des BVB, die man zu den so genannten „Ultras“ rechnen darf. Spätestens seitdem Mailänder Ultras den Abbruch des Viertelfinals der Champions League provozierten, hat diese Bezeichnung einen leicht verruchten – oder verrauchten? – Anklang, aber kaum jemand arbeitet so intensiv und ausdauernd für seinen Verein wie ein Ultra.

So verbrachten die Mitglieder von „The Unity“ die meisten ihrer freien Tage in den letzten Monaten nicht etwa an Stammtischen, um beim achten Bier den Kopf des Trainers zu fordern, worin ja die Hauptaufgabe der traditionellen Fußball-Fans besteht. Stattdessen hockten sie in der Turnhalle einer Dortmunder Schule und schleppten, schnitten, nähten und malten, bis ihnen die Materialien ausgingen. (Ein großes dänisches Bettenhaus kann erst in etwa einem Monat wieder gelben Stoff liefern.) Aus vielen Kilometern Tuch und Kabelrohr entstanden so 4.000 Doppelhalter. Das sind jene mittelgroßen Plakate, die man mit zwei Stangen hochhält.

Als nun die Mannschaften von Borussia Dortmund und Hansa Rostock am Samstag das Spielfeld betraten, um die Bundesliga-Saison zu beschließen, bot die Südtribüne des Westfalenstadions einen Anblick, wie man ihn nur von nordkoreanischen Parteitagen kennt. Mit dem Unterschied, dass alles in Schwarz und Gelb, nicht Rot, getaucht war.

Das Gefühl, eher einer Solidaritätskundgebung oder einem Volksfest beizuwohnen als einer Sportveranstaltung, rührte auch daher, dass man in Dortmund die nun abgelaufene Spielzeit als eine Art fußballerisches Fegefeuer empfunden hat, aus dem die Gläubigen geläutert und moralisch gestärkt entlassen worden sind. „Ich möchte mich bei unseren Fans bedanken“, sagte dann auch Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke, nachdem der letzte Pfiff ertönt war. „Wir haben diese Saison gemeinsam durchgestanden und am Ende wieder eine sehr hohe Identifikation gefunden.“ Das war ungefähr um 17.15 Uhr, als der BVB sein letztes Spiel mit 2:1 gewonnen hatte und auf dem siebten Platz ins Ziel gekommen war, der zur Teilnahme am UI-Cup berechtigt. Davor aber lag eine Partie, in der die Borussia ihren Anhänger offenbar das ganze aufreibende Jahr noch einmal im Schnelldurchlauf präsentieren wollte.

Es begann nämlich alles mit großer Euphorie und noch größeren Hoffnungen, weil der Ball kaum rollte, als schon die Gladbacher Führung in Leverkusen vermeldet wurde. Das eröffnete dem BVB sogar noch die Chance auf den Einzug in den UEFA-Cup, bis ein kleines Malheur dazwischen kam – das eigene Spiel. Bemüht, aber unproduktiv ächzten die Dortmunder über den Rasen und wurden vom Absteiger aus Rostock mit Leichtigkeit ausgekontert. Allein der erneut famose Torwart Roman Weidenfeller sorgte dafür, dass es nach etwas mehr als der Hälfte des Spiels nur 0:1 durch einen Treffer von Marco Vorbeck (15.) stand. Und so war ja auch die Hinrunde der Borussia verlaufen, in der die bittere Mischung aus Pech und Unvermögen den Klub in die Abstiegszone geschubst hatte.

Doch im Endspurt kam erstens das Glück zurück und sah die Borussia zweitens ihr Vertrauen in die eigene Jugendarbeit belohnt: Nach 52 Minuten wurde ein Querpass von Lars Ricken so abgefälscht, dass er in den Lauf von Marc-André Kruska schlitterte, der mit seinen 17 Jahren noch jünger als die meisten Ultras ist. Kruska macht gerade eine Lehre als Bürokaufmann, aber wer seinen Volleyschuss in den Winkel des Rostocker Tores fliegen sah, muss davon ausgehen, dass er einen anderen Berufsweg einschlagen wird. Eine Viertelstunde nach diesem 1:1 traf dann der unvermeidliche Jan Koller zum elften Dortmunder Sieg der Rückrunde. „Das ist eine Leistung, die man nicht hoch genug bewerten kann“, sagte Dortmunds Präsident Reinhard Rauball, der noch in der Kabine das BVB-Vereinslied schmetterte. Es heißt „Wir halten fest und treu zusammen“.